Der Nächste, bitte

Boris Pistorius in heikler Mission

von Lothar Leuschen

Foto © Anna Schwartz
Der Nächste, bitte
 
Boris Pistorius in heikler Mission
 
Von Lothar Leuschen
 
Eines müssen seine Kritiker dem Bundeskanzler schon lassen. Bei der Auswahl seiner Kabinettsmitglieder weiß Olaf Scholz zu überraschen. So unerwartet die Berufung von Nancy Faeser als Innen- und Christine Lambrecht als Verteidigungsministerin war, so unerwartet ist nun auch Boris Pistorius als Nachfolger Lambrechts. Scholz wird hoffen, daß er diesmal einen Volltreffer landet. Und mit ihm hofft die Bundeswehr. Denn deren Zustand ist auch fast ein Jahr nach der Zeitenwende-Rede des Kanzlers bedenklich. Mit den 100 Milliarden Euro, die Scholz und sein Finanzminister Christian Lindner (FDP) in die Ausstattung der Truppe investieren wollten, ist bisher noch so gut wie nichts geschehen. Das liegt sicher nicht zuletzt an Lambrecht, die von Beginn an mit ihrem Amt gefremdelt hat. Ihr allein den Schwarzen Peter zuzuschieben, wäre aber ungerecht. Auch Scholz wirkt in der Verteidigungspolitik widersprüchlich. Vollmundigen Ankündigungen folgen keine Taten. Das macht das Terrain auch für den neuen Minister schwierig. In Krisenzeiten ist entschlossenes Handeln gefragt. Die Politik der Regierung muß sowohl für die Bundeswehr auch für die Partner in der Nato verläßlich und verständlich sein. Dieser Eindruck ist im Dreiklang Kanzler, Verteidigungs- und Außenministerin nicht immer entstanden.
 
In Boris Pistorius hat Scholz nun einen erfahrenen Politiker aus Niedersachsen losgeeist. Der 62 Jahre alte Sozialdemokrat ist als Innenminister mit Sicherheitsthemen betraut und hat als ehemaliger Oberbürgermeister von Osnabrück Erfahrung in politischer Kärrnerarbeit. Außerdem ist nun gewährleistet, daß US-Verteidigungsminister Lloyd Austin am Freitag angemessen von einem Minister begrüßt wird und nicht von einer Interimslösung.
 
Dennoch ist die Umbildung des Kabinetts noch kein endgültiger Befreiungsschlag für Regierungschef Scholz. Nun stellt sich ihm noch die Aufgabe, die Parität in der Führungsriege wiederherzustellen. Wahrscheinlich ist das Geschlechter-Verhältnis derzeit aber nicht seine größte Sorge.  
 
Der Kommentar erschien am 18. Januar 2023 in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.