Klassik auf 180 g Vinyl

Schallplattenschätze der DDR-Eterna-Produktion neu aufgelegt

von Peter Bilsing
Die neue ETERNA Vinyl-Collection 2008
 
„Antike“ klassische Schallplattenschätze aus der DDR -
neu auf 180 g-Scheiben gepreßt

Die altbekannten Vinyl-LPs gibt es seit ca. 1948. Wußten Sie, daß in Europa heute jährlich wieder rund 15.000.000 Schallplatten gefertigt werden – Tendenz steigend! Selbst im Massenshop „Medialand“ fand ich letztens eine eigene Regalreihe Vinylplatten. Vinyl ist auch heute nichts anderes als Polyvinylchlorid.
 
Für die Herstellung einer Schallplatte wurde früher die jeweilige Aufnahme (maximale Spieldauer ca. 25 Minuten pro Seite, mehr geht nur unter erheblichem Qualitätsverlust) mit einem beheizten Schneidstichel in den Lack einer Folie geschnitten. Nach der mechanischen Arbeit kam die Galvanisierung: sie wurde mit Silber beschichtet, damit sie elektrisch leitend ist, und dann verkupfert. Diese Metallschicht bildet ein etwa 0,5 mm dickes Negativ, genannt „Vater“. Von diesem wurden mehrere Positive, genannt „Mütter“, abgezogen. Die eigentlichen Preßmatrizen (Söhne) wurden dann aus den Mutterplatten gefertigt. Um die Haltbarkeit der Preßmatrizen für größere Stückzahlen zu erhöhen, werden diese verchromt.
 
Um dem Umweg über „Väter“ und „Mütter“ zu entgehen, wurde zu Beginn der 1980er Jahre von Telefunken das sogenannte DMM-Verfahren („Direct Metal Mastering“) ersonnen. Hierbei erfolgt der Schnitt direkt in eine auf einer Edelstahlplatte aufgebrachte Kupferschicht, von welcher dann unmittelbar die „Söhne“ erstellt werden. Vorteil: erheblich geringerer Arbeitsaufwand und geringere Verzerrung. Man merkt es eigentlich nur, wenn man den Verstärker mal so richtig aufdreht.
 
Eine gute Vinyl-Scheibe wiegt 180 Gramm und kein Gramm weniger!
 
Obwohl die LPs früher im Vergleich zu den heutigen CDs geradezu „schweineteuer“ waren, kamen in den 70er/80er Jahren immer mehr Plattenfirmen auf die hochgradig schwachsinnige Idee, Rohmasse (Vinyl) zu sparen und dünner gepreßte LPs auf den Markt zu bringen.. Ergebnis: 10 Pfennig Rohmaterial gespart, aber eine Klangeinbuße (besonders in den Bässen!) – die unsäglich war; hinzu kam, daß man den Aufnahmepegel erhöhte, was Echoeffekte zur Folge hatte. Da die meisten Plattenkäufer dies nicht besonders störte, machte man über einen recht langen Zeitraum so weiter. Wiegen Sie mal ihre alten Scheiben - oder biegen sie diese. Lassen die sie sich erheblich biegen, gehören Sie zu den Betrogenen.
 
Nun hat "edel Kultur" mit seinem Label "Berlin Classics" die zwölf interessantesten und spektakulärsten Aufnahmen der früheren DDR-Schallplattenfirma ETERNA
aus den Jahren 1955-1985 als Eterna-180g-Vinyl-Collection neu für den wieder expandierenden Markt herausgebracht; Scheiben für Sammler, Nostalgiker und Puristen, die zum Preis von rund 18 Euro auch noch (legen Sie mal eine CD daneben!), so meine ich durchaus akzeptabel gehandelt werden. Toll, daß man auch die ursprüngliche Covergestaltung und die Original-Rückseite beibehalten hat! Sogar der einstige EVP von 12,10 M blieb erhalten! Für die Neupressungen wurden die Originalbänder herangezogen und von einer Studer A820 Bandmaschine überspielt. Der Folienschnitt erfolgt im DMM-Verfahren auf einer Neumann VMS-82, genau auf der Schneidemaschine, die auch zu DDR-Zeiten verwendet wurde. Ja, es war nicht alles schlecht in der DDR!
 
Tadellos!

Die von mir durchgehörten acht Aufnahmen waren allesamt tadellos. Jeder Scheibe liegt eine persönlich unterschriebene Qualitätsurkunde von den Technikern aus den Bereichen Bandüberspielung/Mastering, LP-Schnitt und Pressung bei. Meine persönlichen Präferenzen sind:

Ganz vorne der Opernquerschnitt von Wagners „Fliegendem Holländer“. Eine absolute Referenzaufnahme mit den Sängerlegenden: Dietrich Fischer-Dieskau als Holländer – in seiner tiefen Menschlichkeit erschütternd unerreicht, auch wenn es nicht sein Fach ist, noch dazu textverständlich bis in die letzte Silbe; Rudolph Schock gilt auch unter heutigen Wagnerianern sicherlich immer noch als der beste Erik aller Zeiten, und wenn Deutschlands bester und viel zu jung verstorbener Tenor Fritz Wunderlich den Steuermann singt, ist das mehr als ein Ereignis.
 
An zweiter Stelle würde ich die ungeheure 3. Beethoven-Sinfonie (Eroica) unter Franz Konwitschny mit der Staatskapelle Dresden nennen. Es gibt für mich nur noch eine vergleichbare Aufnahme, die ich auch in Vinyl habe, nämlich die Decca-Scheibe mit Solti und dem London Symphony Orchestra. Beethoven muß man einfach auf Vinyl hören! Schon wegen der Wärme in den mittleren bis tiefen Tönen, die bei der Übertragung auf CD leider oft verloren geht.
 
Und drittens Orffs „Carmina Burana“ unter Herbert Kegel mit dem sehr textverständlichen Rundfunkchor Leipzig und dem Sinfonieorchester Leipzig. Vorbildliche lateinische Diktion.
 
Interessant ist noch die wahrscheinlich erste deutschsprachige
„Carmen“ als Opernquerschnitt – ebenfalls unter Kegel und einer Besetzung, die auch in den heutigen Tagen noch Maßstäbe setzt. Zeitzeugnis auch für alle Opernfans der frühen sechziger Jahre in Berlin und Leipzig, da man alle Partien aus diesen Opernhäusern trefflich besetzen konnte.
 
Die Weiteren:
- Sinfonie Nr.1 (Mahler) Staatskapelle Dresden
- Berühmte Arien aus Mozarts Opern mit Herrmann Prey (Suitner &
  Staatskapelle Dresden)
- Das Lied von der Erde (Gustav Mahler) mit Kurt Sanderling & 
  Berliner Sinfonie-Orchester
- Bilder einer Ausstellung (Herbert Kegel & RSO Leipzig)
- Phantien, Lieder, Meeresstille (Beethoven) Verschiedene
- Kindersinfonie, Bauernhochzeit, Musikalische Schlittenfahrt (Leopold Mozart) Kammerorchester 
  Berlin, Helmut Koch
- Jugendsinfonien (Mendelssohn) Gewandhausorchester Leipzig, Kurt Masur
- Messe in h-moll BWV 232 (Bach) Schreier, Popp, Watkinson, Büchner, Lorenz, Adam, Güttler

(P) 1955-1985 VEB Deutsche Schallplatten Berlin
©   2008  edel Classics GmbH

Weitere Informationen unter: www.edelclassics.de

Redaktion: Frank Becker