Ein sanfter Film. Ein schöner Film.

„The Fablemans“ von Steven Spielberg

von Renate Wagner

Die Fabelmans
(The Fabelmans) USA 2022

Drehbuch (zusammen mit Tony Kushner) und Regie: Steven Spielberg
Mit: Gabriel LaBelle, Michelle Williams, Paul Dano, Seth Rogen, Judd Hirsch u.a,
 
Später Ruhm für einen alt und sanft gewordenen Steven Spielberg, der in seinen Siebzigern auf die eigene Jugend zurückblickt und sich fragt, wie es dazu kam – daß einer Filmemacher wurde (der, aber das kommt nicht mehr vor, mit Dinosauriern Billionen verdiente und mit „Schindlers Liste“ einen Teil des Holocausts aufarbeitete)? Die „Fabelmans“ (auf Deutsch denkt man sofort an das Adjektiv „fabelhaft“!) sind die Spielbergs, und das ist eine schöne Familiengeschichte („Oscar“-nominiert als Bester Film und für die beste Regie). Viel Biß hat sie nicht, aber liebevolle Altersweisheit Im Blick auf die eigene Jugend und eine ach so jüdische Familie.
 
Zurück in die 1950er Jahren in New Jersey. Spielberg holt den Zuschauer kopfüber hinein in eine solche Familie, die oft im Pulk zusammen sitzt, durcheinander redet und sich ununterbrochen um die Belange der anderen kümmert. Da gehört man dazu, daraus gibt es kein Entrinnen – und die meisten wollen das auch nicht. Für ein Kind ist das ein geschütztes Biotop, um darin aufzuwachsen, und das tat der junge Steven – hier Sammy Fabelman (als Kind: Mateo Zoryon Francis-DeFord, als Teenager: Gabriel LaBelle).. Man singt und tanzt, wie es bei den Juden üblich ist, der Junge findet Westernfilme toll.
Spielberg idealisiert allerdings nur in Grenzen. Natürlich war nicht alles Liebe und Waschtrog, im Gegenteil, die Familienverhältnisse wurden nach und nach schwieriger, belasteten die Seelen aller. Die Mutter Mitzi („Oscar“-nominiert: Michelle Williams) war eine so begabte Pianistin, daß man sie (Originalzitat) im Wiener Musikverein hätte spielen lassen können, der Vater war nüchterner (Paul Dano), die längste Zeit in „jungen“ Rollen eingesetzt, nun auf den Vierziger zugehend). Die beiden paßten nicht zusammen, und die Trennung der Eltern ist für Sammy eine noch größere Belastung als die vielen Übersiedlungen der Familie oder die drei dauerkeifenden Schwestern, die ihm um Genick sitzen.
 
Aber es geht ja um die Frage: Wie wird man Filmregisseur? Spielberg weiß nur eine Antwort: es ist angeboren (so wie sich der Junge Leonard Bernstein an ein Klavier setzte und Musiker war). Sammy war von früher Kindheit an fasziniert davon, die Welt zu filmen, und tat es mit den kleinen Handkameras, die es damals gar. Das meiste Verständnis dafür hatte sein Onkel Boris – Judd Hirsch („Oscar“-nominiert für die beste männliche Nebenrolle) ist unvergeßlich in seiner Szene, wo er als selbst verkappter Künstler, der einst Schwarzweißfilme gedreht hatte, weiß: „Art is not game, art is dangerous, look at me!“
Sammy probt schon als Achtjähriger Regieeffekte, schneidet und bearbeitet seine Filme, es ist mehr als ein Hobby, mehr als eine Leidenschaft, es ist Besessenheit. Es hat nichts damit zu tun, daß heute jedermann sein Smartphone zückt und alles mitfilmt – Steven Spielberg wollte schon als Junge die Welt durch die Kamera sehen und gestalten.
Spielberg ist ein Mann des liebesvollen Blicks, auch für die gestressten Eltern (in einer Szene schlägt die Mutter Sammy ins Gesicht, was sie sich selbst lebenslang nicht verzeihen wird). Das Problem des amerikanischen Antisemitismus („He does not like jews“, stellt man über jemanden fest) wird berührt, aber nicht höher geputscht, als er es empfunden hat.
Er macht auch den Weg, den er in die Filmstudios genommen hat, nicht so dramatisch, wie er könnte – es ist ein sanfter Film von zweieinhalb Stunden. Ein schöner Film. Vielleicht eine Spur zu betulich. Aber Spielberg wußte, was er wollte. Es hat – bei allem klaren Blick für Menschen und Situationen – mit Dankbarkeit, Liebe und Verklärung zu tun.
 
 
Renate Wagner