Wenn man gerade nichts Besseres zu tun hat ...

„Gletschergrab“ von Óskar Þór Axelsson

von Renate Wagner

Gletschergrab
(Operation Napoleon / Napóleonsskjölin) Island 2023

Regie: Óskar Þór Axelsson
Mit: Vivian Ólafsdóttir, Wotan Wilke Möhring, Iain Glen, Jack Fox u.a.
 
Zu Beginn ein mysteriöser Anruf nach Amerika. Es scheint, man habe gefunden, was so lange gesucht wurde, lautet die Botschaft. Das setzt dann viele verschiedene Interessensgruppen in Gang. Dabei weiß der unternehmungslustige junge Mann, der im ewigen Schnee und Eis eines isländischen Gletschers auf ein Flugzeugwrack stößt (als er hinunter kriecht, sitzt ein vereister Toter am Steuer), gar nicht, was er gefunden hat. Und kommt auch kaum zur Besinnung, denn die junge asiatische Frau, die sich so fröhlich als Kollegin vorstellt, sticht ihm bei erster Gelegenheit in den Hals – und er ist ein Gefangener, dem es schlecht ergeht (wer läßt sich schon gerne foltern?).
Immerhin hat er kurz zuvor seiner Schwester Kristin eine Nachricht geschickt, und sie ist nun die Heldin, von ihr glaubt die CIA, sie wisse um das Geheimnis der „Operation Napoleon“, das hinter dem abgestürzten deutschen Flugzeug aus dem Zweiten Weltkrieg steckt. Warum interessieren sich ausgerechnet die Amerikaner so für diese Sache? Was war in dem Flugzeug? Hitlers angebliche Wunderwaffe? Oder ein Virus, der heute noch tödlich wirkt? In dieser Hinsicht bietet dieser isländische Film, der auf einem Kriminalroman von Arnaldur Indriða beruht, das Übliche im Ausschlachten der offenbar unverändert attraktiven Nazi-Vergangenheit. Nur daß die Lösung letztlich doch überrascht.
 
Bis dahin wird die Heldin Kristin (Vivian Ólafsdóttir, die isländische Darstellerin ist einfach eine Schönheit) so durch den Film gehetzt, wie es sonst meist Männern passiert – immer auf der Flucht vor Bösewichten, die von CIA-Chef William Carr (der Schotte Ian Glen aus dem „Game of Thrones“) ausgeschickt werden. Und weil solch europäische Filme meist koproduziert werden, müssen auch die anderen Nationen Darsteller beisteuern. Man kann nicht sagen, daß Deutschlands Wotan Wilke Möhring (für uns der einzige bekannte Name) die Idealbesetzung für ausgerechnet einen Auftragskiller ist, der meist erfolglos mit Gewehr durch den Schnee stapft.
Kristin, die überhaupt nicht weiß, worum es bei der „Operation Napoleon“ geht, wird dennoch für eine gefährliche Mitwisserin gehalten. Wo immer sie sich mit ihrem Begleiter hinkommt (sie hat ihren Exfreund Steve, der wenig bekannte Brite Jack Fox, rekrutiert), sind die „Bösen“ (wie so oft: die Amerikaner) schon da. Nun, der Bruder muß gerettet, das Geheimnis gelöst werden, und letztendlich weiß man auch, warum die Amerikaner absolut nicht wollen, daß jemand von der Sache erfährt, ja, und warum sie nach Napoleon heißt, auch. Das war doch der Mann, der … eben.
Auch die Thriller-Szene kann nicht nur von Spitzenprodukten leben. Regisseur Óskar Þór Axelsson bietet solides Handwerk und kaltes Island als Hintergrund. Wenn man gerade nichts Besseres zu tun hat und lieber ins Kino geht, als einen Krimi zu lesen…
 
 
Renate Wagner