„Ebenda“

Jaana Caspary im Skulpturenpark Waldfrieden Wuppertal

von Johannes Vesper

Jaana Caspary im Atelier - Foto © Karl-Heinz Krauskopf

„Ebenda“
 
Jaana Caspary im Skulpturenpark Waldfrieden Wuppertal
04.03.2023 – 06.08.2023
 
Von Johannes Vesper
 
Der tief verschneite Skulpturenpark Waldfrieden bietet besondere Bilder. Während die Vernissage dieser Ausstellung wenige Tage zuvor bei strahlender Sonne viele Besucher angezogen hatte, war der Besucher beim heutigen Wintereinbruch ganz alleine. Vor der Villa wacht wie eh und je Thomas Schüttes „Mann mit Fahne“, vom Waldrand oben schaut Henry Moores „Sitzende“ herunter. In grauem, winterlichem Himmel zogen trompetende Kraniche und links neben der Villa Waldfrieden fällt Jaana Casparys 4 m hohe, grün patinierte Bronzestatue Statue „Upside down“ ins Auge, ihr Hauptwerk, welches formal den Raum unter den Bäumen füllt und sich dort gut behauptet. Diese Skulptur soll im Skulpturenpark Waldfrieden verbleiben.
Wenige Schritte weiter sind in einem Raum der Villa fünf kleinere weiße Skulpturen ausgestellt, formal alle unterschiedlich. Da steht eine Kugel, deren Oberfläche durch flache Pyramiden aufgerauht wird. Es sind aufeinander gestapelte Rollen zu sehen, deren Oberflächen durch ordentlich und streng parallel aufgelegte „Apfelsinenspalten“ belebt zu werden scheinen, bei anderen handelt es sich um abgeformte gedrehte Strickware. Der Oberfläche dieser Skulpturen gilt Casparys besonderes Interesse.


Jaana Caspary, Upside down - Foto © Johannes Vesper
 
Vor der unteren Ausstellungshalle steht „Swirl“, eine wie aus goldenem Tuch gewundene Skulptur in reizvoller Position. Sie spiegelt sich einerseits in der Glaswand des Gebäudes und kontrastiert andererseits mit der wenige Schritte entfernten schwarzen Holzbank. In der Halle ist „Rondabikk“ eine kleinere, komplexere Variation der „Upside down“ Skulptur ausgestellt. An der Wand ist das nicht reinweiße „Oktogon“ zu sehen, welches aus der Abformung eines aufblasbaren Swimmingpools für Kinder entstand. Dabei gefiel der Künstlerin ihre Skulptur als negativer Abguß deutlicher besser als der ursprünglich geplante positive.
 
 

Jaana Caspary, Swirl - Foto © Johannes Vesper

Mit akribisch exakt gezeichneten, eindrucksvollen schwarzen Tuschebildern, gewickelte Kordel in verschiedenen Anordnungen, widerlegt sie John Woods, der vermutete, daß „Bildhauer einfach Maler sind, die nicht malen können“. Bei der Formentwicklung spielt anscheinend der spielerische Zufall eine große Rolle. Festgelegt auf formale, figurative Obsessionen ist sie (noch) nicht. Fundstücke aus unser aller Lebens- und Konsumwelt metamorphosiert sie durch Einfügen, durch Entzweien und Vereinen zu Kunst-Artefakten. Sie befreit Sofakissen, Matratzen oder konstruktive Werkstücke aus ihren funktionalen Zusammenhängen, formt sie ab, kombiniert sie handarbeitlich in verschiedenster Weise. In der unteren Glashalle sind auch abgeformte Matratzen im Quader aufgestellt. Für die Abgüsse benutzt sie Silikon bzw. erstarrte Silikonformen, welche sie mit einem Zweikomponenten-Acryl Gieß- und Laminierharz ausgießt. Die Frage der technischen Reproduzierbarkeit von Kunst ist seit Walter Benjamin Thema in der Kunsttheorie. Jaana Caspary geht in ihrer Kunst der Frage nach, wie durch technische Reproduktion von Alltagsgegenständen oder sorgfältiger Lackierung von Werkstücken Kunst entsteht, entstehen kann. Ihr Stil scheint bisher vor allem im Entstehungs- bzw. Produktionsprozeß zu bestehen und da vor allem im Abformen.
 

Jaana Caspary, v.l.: Double box / Bubbles / Rondabikk - Foto © Karl-Heinz Krauskopf

Frau Caspary hatte in Tony Craggs Atelier jahrelang (2005-2016) als Assistentin mitgearbeitet, hatte im Gespräch Tony Craggs seine Gedanken zur Bildhauerei aus nächster Nähe mitbekommen und erlebt, was davon wie skulptural umgesetzt wird. Diese Chance hat sie genutzt und sich ihre Existenz als selbständige Bildhauerin aufgebaut. Ihren Ehrgeiz hat Tony Cragg bei der Vernissage erwähnt. Parallel dazu hat sie nach dem Abitur (FOS für Gestaltung Wuppertal) an der Kunstakademie Düsseldorf (2007-2014) bei Didier Vermeiren (geb. 1951) studiert, dessen Oeuvre 2012 im Skulpturenpark Waldfrieden ausgestellt worden war.
 

Jaana Caspary vor Upside down im Interview mit  Thomas Mau - Foto © Karl-Heinz Krauskopf

Seit 2011 wurden die Werke der jungen Bildhauerin bereits in 49 Einzel- und Gruppenausstellungen gezeigt, darunter mehrfach in Düsseldorf, in Berlin, Leipzig, München zweimal in Oviedo (Spanien). Sie erhielt Preise und Stipendien (u.a. 2016 Cité internationale des arts Paris, 2014 Kunstförderpreis Junge Positionen NRW). In Wuppertal hat sie seit 2018 dreimal das Skulpturenprojekt Hardt (8., 9. und 10.) kuratiert und mit dem eigens dazu gegründeten Verein Ausstellungen in dem alten zentralen Park Wuppertals veranstaltet. (Interventions e.V.).
Mit der Ausstellung im Skulpturenpark Waldfrieden Wuppertal tritt sie in den Kreis großer Künstler ein und erhält quasi den künstlerischen Ritterschlag von Tony Cragg, dem „Sculpture Boss“, wie ihn die Gallery von Marian Goodmann in New York genannt hat. Ehrenvoll! Anish Kapoor, der mit einer neuen Großskulptur gerade in New York Furore macht, hat kürzlich an gleichem Ort ausgestellt. Vielleicht ist ja Wuppertal wirklich das neue Berlin, wie kürzlich in „Die Zeit“ zu lesen war.
 

Jaana Caspary - Foto © Karl-Heinz Krauskopf

Die Ausstellung in Wuppertal geht anschließend zum Kunstverein Schwäbisch Hall (24.09.-19.11.2023). Außerdem ist für 2023 eine Ausstellung in der Galerie Grölle Wuppertal (ab 05.05.2023) geplant.
 
Zeitgleich zu ihrer Ausstellung sind ab 18. März skulpturale Meisterwerke aus der Sammlung des von der Heydt-Museums dort zu sehen: „Figur“. Der Besuch des Parks lohnt immer, nicht nur, wenn es schneit.