Frühgeschichte der Psychiatrie

Ein Forschungsprojekt an der Universität Vechta

Red.

Eines der zu edierenden Dokumente ist der „Bericht vom 22. Juli 1845 über die Notwendigkeit einer zu errichtenden Irrenheilanstalt“.
(Dokument von der Abteilung Oldenburg des Niedersächsischen Landesarchivs, Best. 70, Nr. 2702-1)

Forschungsprojekt zur Frühgeschichte der Psychiatrie
im Oldenburger Land startet an der Universität Vechta
 
Am 15. März 1858, vor 165 Jahren, wurde nahe Oldenburg die „Irrenheilanstalt zu Wehnen“ eröffnet. Sie besteht heute unter dem Namen Karl-Jaspers-Klinik als Krankenhaus für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik fort. Die umfangreichen schriftlichen Zeugnisse aus der Gründungszeit der Klinik werden nun in einer digitalen Form der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und fachgerecht erklärt. Damit werden neben Forschenden alle Interessierten die Möglichkeit haben, die Frühgeschichte der Psychiatrie im Oldenburger Land nachzuverfolgen.
In den kommenden drei Jahren untersucht ein Projektteam unter Leitung der Historikerin Prof. Dr. Christine Vogel an der Universität Vechta die Frage, welche Auswirkungen staatliches Handeln und die Gründung spezialisierter Versorgungs- und Behandlungseinrichtungen auf das Leben psychisch erkrankter Menschen und Personen mit kognitiver oder intellektueller Behinderung hatten.
In niedersächsischen Archiven werden zahlreiche Dokumente verwahrt, die vom Umgang früherer Generationen mit geistig differenten und psychisch kranken Menschen zeugen. Zentral ist hier die Überlieferung zu den Heil- und Pflegeanstalten bzw. Landeskrankenhäusern. „Der Oldenburger Raum sticht dabei besonders hervor. Hier sind nicht nur einschlägige Bestände zur 1858 gegründeten Heil- und Pflegeangstalt Wehnen nahezu lückenlos erhalten, sondern auch Akten zu der älteren „Verwahranstalt“ im Kloster Blankenburg“, erklärt Vogel. „Umso erstaunlicher ist es, daß die Psychiatriegeschichte des Herzogtums Oldenburg – und generell des Nordwestens Niedersachsens im 19. Jahrhundert – bislang praktisch nicht erforscht ist“, so die Wissenschaftlerin der Universität Vechta.
„Ziel des Projekts ist es, auf der Grundlage der Überlieferung des Niedersächsischen Landesarchivs eine digitale Quellenedition zur Psychiatriegeschichte des Herzogtums Oldenburg im 19. Jahrhundert zu erstellen, die nicht nur das Handeln der staatlichen Institutionen und Akteure dokumentiert, sondern auch die Geschichten jener Menschen, die für einige Zeit, manchmal sogar für den größten Teil ihres Lebens, in einer der Oldenburgischen Anstalten untergebracht waren“, führt Sophie Große, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt der Universität Vechta, aus. Die Auswahl des präsentierten Materials und die umfangreichen Sachkommentare würden dabei nicht nur der Komplexität des Themas Rechnung tragen. Sie helfen auch, relevante Archivbestände nicht nur für die Fachwissenschaft, sondern auch für weitere Nutzerkreise zu erschließen und die Edition etwa auch als pädagogische Ressource für den Schulunterricht und die universitäre Lehre nutzbar zu machen.
Das Projekt findet in Zusammenarbeit mit dem Niedersächsischen Landesarchiv statt. Es wird vom Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur mit rund 250.000 Euro im Programm „Pro*Niedersachsen – Kulturelles Erbe – Sammlungen und Objekte“ gefördert. Informationen zum Projekt und zu bevorstehenden Veranstaltungen finden sich unter https://www.uni-vechta.de/geschichtswissenschaft/lehrende/vogel-christine/zwischen-fuersorge-und-zwang