„Schönheit und Gekritzel“
bei Franz Marc und Paul Klee
Per Postkarte war ein schneller und unkomplizierter Informationsaustausch schon im 19. Jahrhundert möglich. Bei der ihrer Einführung am 01.10.1869 wurde „diese unanständige Form der Mitteilung auf offenem Postblatt“ noch beklagt, trotzdem sandten die Soldaten im Deutsch-französischen Krieg 1870/71 Lebenszeichen und Grüße per Feldpostkarte an die Lieben in der Heimat. In den 80er Jahren wurden dann Bilder aufgeklebt, bis 1885 die Ansichtskarte mit dem Bild auf der Rückseite ihre offizielle Zulassung erhielt. Im Jahre 1900 wurden rund 1 Milliarde Postkarten im Deutschen Reich verschickt. Bei mehrfacher Zustellung pro Tag - in Berlin bis zu 11mal täglich! - erfüllte die Postkarte effizient fast die Funktion heutiger Messengerdienste. Im 1. Weltkrieg verschickten deutsche Soldaten dann ca. 10 Milliarden Feldpostkarten. Um die geht es hier nicht. Es geht nur um zwölf, aber von Franz Marc 1913/14 illustrierte Postkarten, die 2022 vom Franz Marc Museum erworben werden konnten. Per Künstlerpostkarte mit Zeichnung bzw. kleinem Gemälde, jede ein Original, verständigten sich damals die Ehepaare Marc, wohnhaft in Sielsdorf, und Klee in München. Dank der bereits im Museum vorhandenen illustrierten Postkarten von Paul Klee und zwei weiteren Postkarten an die Marcs kann jetzt nahezu die gesamte Künstlerkartenkorrespondenz der beiden großen Maler in einer Ausstellung in Kochel am See gezeigt werden (Franz Marc: Bunte Grüße an Paul Klee – Die illustrierte Korrespondenz zwischen Franz Marc und Paul Klee 12.03.-29.05. Mai im Franz Marc Museum).
Zur Ausstellung erscheint im Hirmer-Verlag eine bibliophile Kostbarkeit. Janet Haarbach und Cathrin Klingsöhr-Leroy kommentieren im Katalog die Postkarten und transkribieren die Handschriften in Druckschrift. Aus dem zusätzlichen Essay von Cathrin Klingsöhr-Leroy („Schönheit und Gekritzel“) ist u.a. zu erfahren, wie Maria Marc und Lilly Klee-Stumpf die kleine postalische Kunst zu schätzen wussten und wie sie sich über die industriell gedruckten Ansichtskarten, die „Industriekonkurrenz“, mokiert haben. Per Postkarte lud man zu sonntäglichem Mittagessen, verabredete sich zur Klavierstunde (Lily Klee war ja ausgebildete Pianistin), bedankte sich, wie z.B. die Marcs am 7.2.13 für ein Hauskonzert. Das Aquarell auf der Postkarte vom 7.2.13 trägt den Titel „Sonatine für Geige und Klavier“, zeigt blaue Bergspitzen hinten, davor schwarze. In der Mitte ist eine Mondsichel auf rotem Hintergrund zu sehen, unten bilden zwei braune, kleine Rehe(?) quasi eine Signatur dieser „Komposition“ aus rhythmisierten Klangfarben in Blau, Gelb, Rot und Grün. Der Zusammenhang zwischen Malerei und Musik war für Marc wie für Klee ein großes Thema.
Franz Marc verschickte schon früher Postkartenbilder, u.a. als „blauer Reiter“ an „ihre Hoheit Else Lasker-Schüler“, die vor allem seine Karte „Turm der blauen Pferde“ sehr mochte. Die Bleistiftskizze dazu befindet sich im Franz Marc Museum und das Gemälde aus der Bayrischen Staatsgemäldesammlung im Katalog.
Die kleinen Formate der Malerfreunde Marc und Klee unterscheiden sich erheblich, was schon der Titel des Essays suggeriert. Während Paul Klee eher zeichnerisch kritzelt (z.B. „Polizeihund wird in Wut versetzt“), malt Franz Marc flächig bunt („Rotes und blaues Pferd“). Im Essay vermutet die Autorin „weibliche Einfühlung in die Natur“ bei Marc bzw. „männliche Analytik“ bei Klee. Bei beiden bestehen schon Tendenzen zur Abstraktion. Im „Garten der Leidenschaft“ von Paul Klee geht alles labyrinthartig durcheinander ohne, daß Einzelheiten identifiziert werden könnten und Franz Marc scheint mit seinem berühmten Bild „Tierschicksale“ (1913) die verstörenden Sprengungen der Weltkriegskatastrophe vorwegzunehmen. Diese wunderbare Bildkorrespondenz endete, als Paul Klee im April 1914 nach Tunis aufbricht und Franz Marc etwas später zum Militär eingezogen wird.
Franz Marc: Bunte Grüße an Paul Klee
Die illustrierte Korrespondenz zwischen den Künstlern. Hg. Franz Marc Museumsgesellschaft durch Cathrin Klingsöhr-Leroy.
© 2023 112 Seiten, Veredelter Leineneinband mit Silberprägung und Bildetikett, 22x22 cm, 50 Abbildungen in Farbe - ISBN: 978-3-7774-4149-8
29,90 €
Weitere Informationen: www.hirmerverlag.de
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