"Was keiner wagt!"

Konstantin Wecker begeisterte mit einer hochaktuellen Bühnenshow in Essen

von Andreas Rehnolt

Foto © Frank Becker
Konstantin Wecker begeisterte in Essen

Liedermacher brachte in seinem Konzert
"Was keiner wagt!"
die Fans in der noblen Philharmonie sogar zum Mitsingen




Essen - "Was keiner wagt, das sollt Ihr wagen. Wenn alle loben, habt Bedenken. Wenn alle geizen, wagt zu schenken ....". Der Titelsong des Liedermachers Konstantin Wecker bei seinem Konzert gestern in der Philharmonie Essen riß die Fans von ihren Stühlen. Gute drei Stunden lang begeisterte der Barde mit poetischen, bösen und teils hochaktuellen Liedern. Zum Einstieg würdigte er nicht zuletzt sich selbst und viele der mit ihm in die Jahre gekommenen Zuhörer, als er bekannte: "Ich singe für alle, die wie ich nicht ohne Fehler sind". Sein Song "A Revoluzzer müßt ma' sein" kam mehr als Wunsch, denn als Bekenntnis von der Bühne, auf der er von vier exzellenten Musikern begleitet wurde.

Im Alfried Krupp Saal spannt Wecker einen musikalischen Liederbogen durch vier Jahrzehnte seines Schaffens. Altvertrautes wie "Was tat man den Mädchen?" war zu hören und bei "Genug ist nicht genug" verwies der Barde mit verschmitztem Lächeln auf die Banker dieser Welt, die das Wirtschaftssystem gerade mal wieder ins Wanken gebracht haben. An Angela Merkel gerichtet meinte Wecker, die nimmersatten Zocker hätten nicht das Vertrauen in die Banken gefährdet, vielmehr hätten sie mit ihrem Verhalten das Mißtrauen ihnen gegenüber bestätigt. Es klingt nach Schadenfreude, wenn er nach der Bayern-Wahl von "Deutschlands jüngster Demokratie" spricht.

Sein Lied, in dem er mit Namen von CSU-Größen jongliert und betont, all diejenigen, die jetzt abtreten, würden in Kürze wieder auf der politischen Bühne auftauchen, kommentiert er: "Es sind immer die gleichen Tröge: Nur die Schweine wechseln". Dann zitiert er Erich Kästners böse "Ansprache an die Millionäre" und hofft auf den Untergang des Kapitalismus angesichts des "Tanzes der Börsianer". Weckers Fans danken dem Sänger jeden Song mit langem Beifall. Im letzten Drittel des Abends steht das Publikum mehr als es sitzt. Seine neu arrangierten, erdig-rockig daherkommenden Klassiker begeistern auch im neuen Gewand. Dazu sein Kokettieren mit der eigenen Kokain-Vergangenheit und dem Gefängnis-Aufenthalt, dem er ein gut 150 Jahre altes Knastlied aus München widmet.

Hin- und mitreißend das Lied "Annelies, wir fahr'n noch mal ins Blaue. Wir schaun uns noch einmal Menschen an. Denn wenn ich das richtig überschaue, sieht man Menschen nicht mehr lang."
Da singt die nicht ganz voll besetzte Philharmonie den Refrain mit, klatscht im Rhythmus und wiegt sich stehend in den Hüften. "Plötzlich brennt das alte Feuer wieder, doch neu ist die Fantasie", singt Wecker, der seit gut 40 Jahren als Liedermacher unterwegs ist. Knappe 60 Minuten dauert alleine der Zugabenblock mit stark aufgerockten Liedern wie "Anarchie", "A so a saudummer Tag" oder dem finalen "Einfach wieder schlendern". Beim Schlußapplaus hielten es die Wecker-Fans mit dem Song "Genug kann nie genügen".