Ein Meister der Farbe

Werner Bischof – „Unseen Colour“

von Steffi Engler

Titel: Studie, Zürich, Schweiz 1943 © Werner Bischof Estate /
Magnum Photos

Ein Meister der Farbe
 
Werner Bischof, rastloser Wanderer mit der Kamera
 
Als Werner Bischof (1916-1954) mit nur 38 Jahren durch einen Autounfall ums Leben kam, war er auf der Höhe seiner kreativen und publizistischen Entwicklung. Auch wenn schon ab Mitte des 19. Jahrhunderts mit der Möglichkeit der Farbfotografie experimentiert wurde - wir denken an Levi Hill, Niépce de Saint-Victor, James Clerk Maxwell, Hermann Wilhelm Vogel u.a. – und schon ab 1936 der serienmäßig hergestellte Kodachrome-Farb-Rollfilm zur Verfügung stand, war Werner Bischof dennoch ein Pionier der Farbfotografie. Seine Arbeitsmethode mit der Devin Tri-Color Camera, ähnlich kompliziert wie einst Maxwells Additionsverfahren, zeigt, wie wir jetzt in einem wunderbaren Buch sehen können, eine bislang beinahe übersehene Facette seines unermüdlichen fotografischen Forschens und Schaffens.

Der bei Scheidegger & Spiess erschienene Band „Unseen Colour“ (herausgegeben von Ludovica Introini & Francesca Bernasconi) präsentiert in einer großen Auswahl und bester Druckqualität die hochqualitativen Ergebnisse des Devin Tri-Color Verfahrens, bei dem, so Luc Debraine in seinen Erläuterungen im Buch „die Devin Tri-Color drei Fotoapparate in einem vereint. Um ein einziges Bild zu machen, setzt der Fotograf drei 6,5x9 cm große Glasplatten in ihr Chassis ein, um sie, eine nach der anderem in die aluminiumlegierte Kammer zu laden. Anschließend muß er die Öffnung und Geschwindigkeit der Goerz-Optik einstellen, mittels Bildfeldsucher scharf stellen, mit einem weiteren Sucher einstellen und schließlich auslösen.“ Und Debraine beschreibt das Verfahren weiter: „Der Fotograf ist gezwungen, freihändig den Apparat bestmöglich zu stabilisieren. Die Platten sind nicht allzu sensibel, das Objektiv ist nicht sehr hell. das Risiko einer verwackelten Aufnahme groß. Diese Handgriffe, Einstellungen und Vorsichtsmaßnahmen verlangen eine sorgfältige Vorbereitung der Aufnahme. Glücklicherweise harmonieren diese Zwänge mit einer Praxis, die auch Bischofs Haltung entsprach. Seit seinen Anfängen als Fotograf dachte er gründlich über seine Motive und Blickwinkel. seine Bildausschnitte und technischen Entscheidungen nach, bevor er auf den Auslöser drückte. Fotografieren bedeutete bei ihm Voraussehen.“


Werner-Bischof - Model mit-Rose, Zürich, 1939 - © Werner Bischof Estate / Magnum Photos


Werner-Bischof, Orchidee - Zürich,1943 - © Werner Bischof Estate / Magnum Photos

Als Schwarz/Weiß-Fotograf hatte Werner Bischof längst einen guten Namen, wurde von der Presse für Magazine (Du, Obsever, Life, Epoca, Picture Post, Illustrated u.a.m.) später auch als Farbfotograf für thematische Recherchen beauftragt und von der Mode- und Werbewirtschaft angefragt. 1949 wurde er Mitglied von Magnum Photos, ein Ritterschlag der Branche. Seine Reisen führten ihn 1945/46 zunächst im Auftrag der „Schweizer Spende an die Kriegsgeschädigten“ durch die zerstörten Städte Deutschlands, Frankreichs, Luxemburgs, Belgiens und der Niederlande. Hier dokumentierte er die Trümmerlandschaften, den Wiederaufbau und in beeindruckenden Aufnahmen die Leistung der Trümmerfrauen Berlins.
Fortan bereiste Bischof ab 1946 im Auftrag von Magazinen und Organisationen u.a. Italien, Griechenland, Ungarn, Rumänien, Polen, Finnland, Norwegen, Großbritannien, Frankreich, immer wieder Deutschland, Indien, Japan, Korea, Vietnam, Laos und Kambodscha. Für Paris Match berichtete er über den Indochinakrieg.
 
 
Werner Bischof, Reichstag Berlin, 1946 - © Werner Bischof Estate / Magnum Photos

 
Werner Bischof, Reichstag Berlin, 1946 - © Werner Bischof Estate / Magnum Photos

Unermüdlich unterwegs brach er 1953 nach Amerika auf, dokumentierte neue Highways und ging schließlich 1954 nach Mexiko, Panama, Chile und Peru, wo er für Life und Magnum Photos Fotoreportagen machte. Am 16. Mai 1954 kam Werner Bischof bei einem Autounfall bei Trujillo in den peruanischen Anden ums Leben.
Sein fotografisches Werk, schreibt Tobia Bezzola im Vorwort des hier vorgestellten Buches, bleibt sowohl in der s/w-Fotografie wie in der Farbfotografie mit Rolleiflex, Leica und dem brillanten Devin Tri-Color-Verfahren ein Torso. Die ausdrucksstarken, bislang unveröffentlichten Farb-Bilder, die der Band vereint, sind eine bestechende Auswahl, die das Museo d´arte della Svizzera italiana in Lugano noch bis zum 2.7.2023 zeigt. Danach wandert die Ausstellung in dieFotostiftung Shweiz in Winterthur, wo sie vom 26.8.2023 bis zum 21.1.2024 zu sehn sein wird. Die Bilder zeigen deutlich und schmerzlich, was noch hätte werden können. Neben dem Werbeglanz von Mode und Ambiente haben vor allem seine Fotografien von durch Armut und Krieg geprägten Kindern Bestand. Sein kurz vor seinem Tod entstandenes Foto Flöte spielender Junge bei Cuzco/Peru wurde das Leitmotiv der von Edward Steichen eingerichteten Wanderausstellung Family of Man.
 

Werner Bischof, Trocknendes Getreide, Italien 1946 - © Werner Bischof Estate / Magnum Photos

Werner Bischof – „Unseen Colour“
Herausgegeben von // Edited by Ludovica Introini & Francesca Bernasconi
Mit Beiträgen von // With texts by Tobia Bezzola, Clara Bouveresse, Luc Debraine & Peter Pfrunder
© 2023 Scheidegger & Spiess, in Kooperation mit // In cooperation with Museo d’arte della Svizzera italiana, Lugano - 183 Seiten, Ganzleinen, 22 x 24,5 cm - ISBN 978-3-03942-129-9 | Deutsch / ISBN 978-3-03942-130-5 | English
sFr 49,- / GBP 45,- / USD 55,- / 48,- €
 
Weitere Informationen: www.scheidegger-spiess.ch