Kakophonie im Gepäck

Außenministerin Baerbock besucht China

von Lothar Leuschen​

Foto © Anna Schwartz
Kakophonie im Gepäck
 
Außenministerin Baerbock besucht China
 
Von Lothar Leuschen
 
Wenn eines klar ist, dann, daß nichts klar ist. Deshalb ist die China-Reise von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) eine einzige Wundertüte. Das gilt sowohl für das, was der Gastgeber vom hohen Besuch aus Deutschland erwarten darf, als auch umgekehrt. Denn die Bundesregierung gibt bisher kein einheitliches Bild ab, wenn es um die Bewertung Chinas und den Umgang mit dem autokratisch geführten Reich der Mitte geht. Während Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kurz nach der Ewigkeitswahl von Xi Jinping nach Peking gereist ist, als wenn nichts weiter gewesen wäre, und Frankreichs Staatspräsident den französischen Wirtschaftsinteressen vor wenigen Tagen eindeutig Vorfahrt gegenüber Staatensouveränität und Menschenrechten einräumte, kommt nun die deutsche Außenministerin zu Gesprächen ins Reich der Mitte. Sie gilt dort als hartleibig gegenüber den Interessen Chinas, weil sie auf den Status quo besteht, der Taiwan vor dem Zugriff Pekings schützt. Daran will sie nach eigenem Bekunden am Freitag in Gesprächen mit ihrem chinesischen Kollegen ebenso festhalten wie an der Forderung, China müsse als Vetomacht im Weltsicherheitsrat Friedenspolitik betreiben.
 
       All das wird die Chinesen jedoch nicht sonderlich beeindrucken. Schließlich haben Scholz und Macron wirtschaftsfriedliche Koexistenz adressiert, also ein weitgehendes „Weiter wie bisher“. Doch sehr wahrscheinlich werden Deutschland und Frankreich damit nicht durchkommen. Erstens verfolgen die Vereinigten Staaten eine vollständig andere Politik und zweitens ist das Gebaren Chinas schriftlich belegt darauf ausgerichtet, Mitte des Jahrhunderts die einzige Supermacht auf dem Globus zu sein. Für den Rest der Welt, vor allem für demokratische Gesellschaften sind das schlechte Aussichten. Deshalb ist es Ministerin Baerbock nicht nur zu wünschen, daß sie ihren in westlichen Werten verorteten Kurs hält, sondern dass Frankreich, Deutschland, die gesamte EU sich zu einer politisch wie wirtschaftlich unabhängigen und gleichberechtigten globalen Instanz aufschwingen – auch wenn das vorübergehend Wohlstand und Komfort kostet.
 
Der Kommentar erschienen am 14. April 2023 in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.