Die unheilige Allianz von Staat und Kirche

„Die Kairo-Verschwörung“ von Tarik Saleh

von Renate Wagner

Die Kairo-Verschwörung
(Boy from Heaven)
Schweden, europäische Co-Produktion 2022

Drehbuch und Regie: Tarik Saleh
Mit: Tawfeek Barhom, Fares Fares u.a.
 
Was uns längst als „unheilige Allianz“ gilt, die untrennbare Verquickung von Staat und Religion, daran hält der Islam aus Gründen des Machterhalts eisern fest. Alle liberalen Bewegungen, die versuchen, der Religion die totale Macht über die Menschen zu nehmen, werden abgewürgt. Wie hier in Ägypten ohne Gnade im Untergrund intrigiert und gekämpft wird, wie Menschen dabei unter die Räder kommen – das erzählt Tarik Saleh, in Schweden geborener Regisseur ägyptischer Herkunft, in einem Film, der gleicherweise politisch spannend und erhellend und menschlich ergreifend ist.
Man lernt Adam (Tawfeek Barhom) kennen, den halbwüchsigen Sohn eines armen Fischers in einem Dorf am Nil. In der lokalen Koranschule erweist er sich als besonders begabt, und solche jungen Männer werden gesucht. Man schickt ihn – welche Ehre für die Familie! – nach Kairo an die al-Azhar-Universität, einen Riesenkomplex mit Massen von Schülern und Lehrern. Als dort nach dem plötzlichen Tod des obersten Imam die gnadenlosen Machtkämpfe ausbrechen, wer die Nachfolge antreten soll, arbeiten beide Seiten mit allen Mitteln.
 
Adam paßt in das Bild dessen, den man braucht – ein naiver, unerfahrener Student, der undercover bei einem Kandidaten eingeschleust werden kann. Als er von dem absolut undurchsichtigen Ibrahim (Fares Fares, Schwede arabischer Herkunft wie der Regisseur) rekrutiert wird, wozu er nicht nein sagen kann, gerät er in das brandgefährliche Netz von Menschen, denen jedes Mittel recht ist.
Als Adam eine Aufgabe erfüllt hat, wollen sie sich ohne zu zögern seiner entledigen. Ibrahim muß alle Tricks anwenden, um Adam zu retten und nach Hause zurück zu schicken. Was er in Kairo gelernt habe, fragt man ihn dort. Er antwortet nicht – er muß froh sein, wie seine Vorfahren mit dem Boot zum Fischen hinauszufahren und überlebt zu haben…
 
Dazwischen erlebt man einen – manchmal undurchsichtigen – Krimi, der Kritiker zu Recht an die Werke von John le Carré erinnert hat. Adam wird bei einem der Imam-Kandidaten eingeschleust und erfüllt seine Aufgabe, in dessen Privatleben etwas zu finden, das ihn für die Aufgabe diskreditiert. (Ein Kind mit einer Halbwüchsigen gemacht zu haben, wird allerdings von den Kollegen vom Tisch gewischt… sehr heilig geht es in der Welt der Religionsfürsten nicht zu.)
Adam kennt sich zeitweise im Geschehen so wenig aus wie der Kinobesucher, aber dennoch erlebt man eine spannende Geschichte, in der man um den jugendlichen Helden ehrlich bangt – erschütternd, wie gottergeben dieser alles Unrecht, die Brutalität von Polizei und Militär, über sich ergehen läßt.
Dieser Krimi weckt das ungute Gefühl, daß man es hier nicht mit Kintopp zu tun hat, sondern daß es in der Realität genau so zugehen kann. Und daß der einzelne Mensch angesichts gewaltiger Apparate von Staat und Religion gar keine Chance auf ein eigenes Leben hat.
 
 
Renate Wagner