Richard Strauss pur bei „Liedertal“

Thomas Laske und Verena Louis

von Johannes Vesper

Foto © Johannes Vesper

Richard Strauss pur bei „Liedertal“
 
Thomas Laske und Verena Louis
(CD-Release-Konzert)
 
Von Johannes Vesper
 
Die Wuppertaler Liederabende der Spitzenklasse sind inzwischen in der 2. Saison. Thomas Laske wie Verena Louis (Klavier) sind in Wuppertal seit Jahren bekannt und ihre „Winterreise“ im Januar 2022 unvergessen. Mit dem Konzert vom 20.04.2023 erfüllt sich Thomas Laske einen Herzenswunsch, hat er doch schon zu seinem Abitur ein Lied aus op. 29 des Komponisten gesungen bevor er 1977 den Richard-Strauss-Wettbewerb in München gewann. Dabei wurde er damals von Wolfgang Sawallisch am Klavier begleitet. Und von einer Verehrerin bekam er nach einem seiner Konzert ein Foto von Richard Strauss (1864-1949) mit handschriftlicher Widmung an den ehemaligen Düsseldorfer GMD Hugo Balzer geschenkt, der zur Nazi-Zeit die Reichsmusiktage organisiert hat! Richard Strauss hat mehr als 200 Lieder geschrieben. Zu seinen Ehren stand dieses Foto beim Konzert auf der Bühne (siehe Nachtrag unten).
Richard Strauß begann bereits Mitte der 80er Jahre als junger Mann mit der Komposition von Liedern und hörte 1905 erst einmal damit wieder auf, als er die Oper als Genre entdeckte. Salome von 1905 war die erste von insgesamt siebzehn.
 
Jetzt aber zum Konzert im Mendelssohn-Saal, welches mit 5 Liedern aus op. 46 (Gedichte nach Friedrich Rückert (1788-1866) begann. Musikalisch späte Romantik, ohne jeden Angriff auf Tonalität, wird hier die Liebe besungen deren Küsse, je länger bzw. je bänger je lieber nicht völlig ungetrübtes Glück verheißen. „Die Welten drehn sich all um Liebe“. Liebesnot, süßes Leben, süßer Tod, alles ist miteinander verwoben. Mit kraftvoller Stimmer und makellosen Übergängen seines klangvollen Baritons auch in hohe Höhen bringt Thomas Laske die ganze Emotion der lyrischen Dichtung über, immer sensibel und aufmerksam begleitet von Verena Louis. Nach den Rückert-Liedern erläuterte Thomas Laske seine Leidenschaft für Richard Strauss und erzählte, wie sie sich nach Corona mit der erheblichen Einschränkung der Konzerttätigkeit, unterstützt vom Programm „Neustart Kultur“, sich den Strauss-Lieder und deren Produktion auf CD gewidmet haben.
Danach wurden die drei Lieder op. 29 nach Gedichten von Otto Julius Bierbaum (1865-1910) dargeboten, von dem als Schöpfer des berühmten Aphorismus „Humor ist, wenn man trotzdem lacht“, man solch ernsthafte Liebeslyrik nicht erwartet hätte. Beim „Dämmergrau in der Liebe Land“ und dem stillen Nacht-Spaziergang mit der Liebsten in klagvoll-weichem Piano weint die Seele spätromantisch expressionistisch,. während im Lied „Schlagenden Herzen“ (musikalisch „kling-klang“) Knabe und Mädel sich damals jedenfalls gegenseitig ersehnten. Souverän, mit bewegter Körpersprache, grandiosen musikalischen Höhepunkten im Fortissimo und langen musikalischen Bögen verzauberte Thomas Laske sein Publikum.
Nach der Pause erklangen die 5 Lieder op. 47 nach Gedichten von Ludwig Uhland (1787-1862), in denen „Dichterwonnen“ kontrastieren mit dem Grauen beim Tod der Geliebten. Bei der lebhaften „Einkehr“ mit ihrer hochkomplexer Klavierbegleitung wird der Wirt gepriesen und die „sieben Zechbrüder“ ziehen den würzigen Wein dem labenden und Durst löschenden Wasser vor, wollen das verwünschte Worte in „keinerlei Weise mehr nennen, nicht laut und nicht leise“. An schwankenden Rhythmen und Taktwechseln war zu hören, daß der Wein seine Wirkung auf die Kumpanen nicht verfehlt hat. Mit schlanker, fast metallischer Stimme und höchst differenzierter Dynamik entstand (kultivierte) Wirtshausstimmung bei souveräner, verhaltener Gestaltung des Klavierparts durch die Pianistin. Die vier Lieder op. 27 nach Texten des in Schottland geborenen, aber in Deutschland groß gewordenen Anarchisten John Henry Mackay hatte Richard Strauss seiner Frau Pauline am Hochzeitstag gewidmet. Und zuletzt wurden nach dem Gedicht „Allerseelen“ von Hermann von Gilm (1812-1884) die „duftenden Reseden auf den Tisch gestellt, die letzten roten Astern herbeigetragen“ und an schönere Tage „einst im Mai“ erinnert. Das Publikum war begeistert von diesem Liederabend und erklatschte sich eine Zugabe: Die „Zueignung“, das erste Lied (op. 10), welches der Komponist als 21jähriger geschrieben hat. Die gab es aber erst nach dem Hinweis des Sängers auf die folgenden Konzerte und die nächste Konzertsaison, bei der u.a. die Comedian Harmonists reanimiert werden. Am Ausgang konnte man die neue CD erwerben.
 
Nachtrag zur Janusköpfigkeit von Richard Strauss, der in aller Welt (auch an diesem Abend mit Bild auf der Bühne) als Komponist hochgeschätzt wurde und völlig unbestritten zur künstlerischen Elite, als Mensch aber zum opportunistischen Durchschnitt Deutschlands gehörte. Er hatte nicht nur bei den Berliner Philharmonikern das Dirigat Bruno Walters übernommen, als der, bedroht durch die SS, emigriert ist. Auch in Bayreuth sprang er bereitwillig ein, als Toscanini aus Protest gegen die Verfolgung jüdischer Musiker abgesagt hatte. Der Präsident der Reichsmusikkammer setzte sich zwar für den Librettisten seiner Oper „Die schweigsame Frau“ (Stefan Zweig) ein, was aber sein Engagement für den Nationalsozialismus nur vorübergehend beeinträchtigte. Goebbels schüttelte er die Hand bei den Reichsmusiktagen. 1943 komponierte und dichtete er für den Generalgouverneur in Restpolen Hans Frank („Schlächter von Polen“) ein lustiges Lied („Wer tritt herein, so fesch und schlank? Es ist der Freund, Minister Frank. Wie Lohengrin von Gott gesandt, hat Unheil er von uns gewandt. Drum ruf ich ‚Lob und tausend Dank‘ dem lieben Freund, Minister Frank!“). 1944 hat Hitler ihn gar in die „Liste der Gottbegnadeten“ aufgenommen.
 
Strauss Lieder Thomas Laske, Bariton. Verena Louis, Klavier klanglogo www.klanglogo.de. Lieder: Richard Strauss (1864-1949). 1-5 Fünf Gedichte von Friedrich Rückert op.46, 6-10 Fünf Lieder op. 47, 11-13 Drei Lieder op. 29, vier Lieder op. 27 14 Nr.3 Heimliche Aufforderung, 15 Nr. 4 Morgen!, Acht Gedichte aus „Letzte Blätter“ op.19 Nr. 16 Nr. 1 Zueignung, 17 Nr. 2 Nichts, 18 Nr. 3Die Nacht, 19 Nr. 8 Allerseelen. TT 67: 36