Zu schön, um wahr zu sein

„Champions“ von Bobby Farrelly

von Renate Wagner

Champions
USA 2023

Regie: Bobby Farrelly
Mit: Woody Harrelson, Kaitlin Olson u.a.

Wenn Hollywood einen aufbrausenden, unangepaßten Zeitgenossen zu besetzen hat, kommt man gerne auf Woody Harrelson zurück, der macht dergleichen so überzeugend. Also ist er der Basketballtrainer Marcus, der so lange überall aneckt, bis die Richterin (Alexandra Castillo) ihn zu drei Monaten Sozialarbeit verdonnert. Sollte er in seiner Heimatstadt „nur“ Jugendliche trainieren, hätte man wohl den üblichen Film vor sich, der die heilende und einigende Kraft des Sports betont.
Aber die Aufgabe für Marcus ist eine andere. Sein Team besteht aus… „Don’t make me say the word“, heißt es, „they are retarded“. Es geht also um „Menschen mit besonderen Bedürfnissen“, wie heute der politisch korrekte Ausdruck lautet. Allerdings gibt es Behinderungen vieler Art und noch mehr Probleme.
Daß Marcus anfangs nicht begeistert von der Aufgabe ist, diese ihm anvertraute Gruppe zu „Champions“ zu machen, die am Ende bei den Special Olympics North American Regional Championship teilnehmen sollen, liegt in seinem Naturell. Daß er endlich lernt, sich zusammenzunehmen, sich zu beherrschen und sich auf die Bedürfnisse anderer einzustellen, das ist die Botschaft dieser Komödie, die von Bobby Farrelly inszeniert wurde, einem der einst legendären Farrelly Brothers, die vor gut zwei Jahrzehnten und mehr die verrücktesten Komödien geliefert haben und mittlerweile auseinander gedriftet sind (Bruder Peter bekam für „Green Book“ sogar einen „Oscar“, der durchaus nicht so unverdient war, wie viele damals behaupteten). Bemerkenswert, daß Farrelly hier nicht auf extreme Lustigkeit, sondern auf die Substanz der Story setzt und den heiklen Balanceakt, das Thema zu behandeln, durchaus sensibel bewältigt.
 
Nun gibt es kaum eine amerikanische Kritik über die „Champions“, in der nicht der Begriff „Feel Good Movie“ fiel, und das bedeutet im allgemeinen, daß die Wirklichkeit beschönigt wird, um das Publikum in Illusionen zu wiegen, die es erfreuen und beruhigen. Keine Frage, daß das auch hier der Fall ist – aber was soll man sagen? Die Sache will’s. Es ist weniger schenkelklopfende Unterhaltung, weniger Charakterporträts, weniger der klassische Sportfilm als ein „Lehrfilm“, den man mit entsprechendem Respekt entgegen nehmen muß.
Also müht sich Marcus mit zunehmender Sensibilität um seine Schüler, nicht nur ihre störrischen, sondern auch liebenswerten Seiten entfalten, und hat eine Romanze mit seiner Ex-Freundin Alex (Kaitlin Olson), die anfangs ganz auf Unverbindlichkeit setzt, um Marcus diese dann vorzuwerfen. Zwischen ihnen steht ihr behinderter Bruder Johnny (Kevin Iannucci), auf den sie ihr Leben dermaßen ausgerichtet hat, daß sie nichts tun möchte, was ihn auch nur im geringsten beunruhigt – ein Blick in die Realität, welche Forderungen die „besonderen Bedürfnisse“ an die Angehörigen stellen.
 
Daß das Rauhbein, der seine Gruppe gut trainiert hat und mit leidenschaftlichen Reden anfeuert, am Ende zum warmherzigen Zeitgenossen geworden ist, gehört zu Filmen dieser Art. Vielleicht werden im wahren Leben Berührungsängste abgebaut, wenn im Zuge der Diversität diese Menschen immer mehr aus dem Schatten treten. Ob man den Umgang mit ihnen aus einem gut gemeinten Film-Drehbuch lernen kann, sei allerdings dahin gestellt. Manchmal ist Kino ja doch zu schön, um wahr zu sein.
 
 
Renate Wagner