Randnotizen
Verantwortung im Verkehr
(Eine nicht zu überbietende Trostlosigkeit)
Er hatte den blauen Audi an der Bushaltestelle bemerkt und ihn vor sich einfädeln lassen. Er war einfach langsamer gefahren, stoppte leicht ab und gab ihm durch die entstandene Lücke ein Zeichen, wo er sich mit seinem blinkenden Audi einreihen konnte. Er fühlte sich nun verantwortlich für den aufgenommenen Verkehrsteilnehmer und folgte ihm, natürlich mit dem gebührenden Abstand. Zum Glück zeigte sich der neu aufgenommene Fahrkünstler einsichtig, blinkte an den richtigen Stellen und fiel nicht durch abrupte Fahrweisen und andere anmaßende Spurgestaltungen auf. Er freute sich, daß seine Großzügigkeit nicht vom neuen Autopartner ausgenutzt worden war und bereute es keinen Augenblick ihn in die Gemeinschaft des Berufsverkehrs aufgenommen zu haben.
Vorlassen
Die Frau kam zu mir an die Kasse und fragte, ob ich sie vorlassen könnte. Sie wollte sich nur eine Plastiktüte kaufen. Natürlich war ich verunsichert. Ich hatte schon alle Waren auf das Band gelegt und war eigentlich schon in Einpacklaune gewesen. Ich schaute mich um. Eigentlich betraf diese Entscheidung nicht nur mich, sondern auch alle, die hinter mir standen und sich schon so nahe am Ziele geglaubt haben. Sollte ich die Frau durchlassen? Sollte ich ein Gespräch anregen, eine Debattierrunde einberufen, eine Umfrage starten? Außerdem, wer kauft heute noch Plastiktüten? Durfte man dieses Verhalten überhaupt noch unterstützen? Ich sagte dann aber „Natürlich“ und behielt alle Gedankengänge für mich. Das tat weh, zumal ich bemerkte, daß viele der hinter mir stehenden diese Entscheidung nicht begrüßten.
Im Zug
Ich habe mich mal in einem Zug am Fenster stehen sehen. Natürlich habe ich gewinkt.
© Erwin Grosche
Erwin Grosches Web-Seite: www.erwingrosche.de
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