Im Sog des schwarzen Goldes
Staublunge, am Hochofen verbrennen oder von einem dampfgetriebenen Schmiedehammer erschlagen werden, sind das die Todesarten an der Ruhr?
Diese Frage bleibt bis zum überraschenden Schluß offen. Peter Kersken benutzt die Kriminalerzählung sowieso nur als Vehikel für eine spannende Geschichtsstudie, in der er den Übergang einer dörflichen Gemeinschaft zum Industriestandort beschreibt, ein Zusammenwachsen der einzelnen Flecken zu Städten und Gemeinden, dem Ruhrgebiet, und zwar so bildhaft, daß einem unwillkürlich der umgekehrte Prozeß vor Augen steht. Gemeint ist der Niedergang der Schwerindustrie an der Ruhr, Renaturierung und Schaffung von Naturschutzgebieten, die heute einen Großteil der Ruhrlandschaft ausmachen. Aus Industrieanlagen wurden Industriedenkmäler. Aus Abraumhalden wurden Aussichtsplattformen mit künstlerisch geformten Obelisken oder ähnlichem. Rund 150 Jahre dauerte der gesamte Prozeß.
Doch zurück zum Herbst 1866:
Tausende sind in den Städten und Gemeinden entlang der Ruhr bereits an der Cholera gestorben. In Sterkrade (heute ein Stadtteil Oberhausens) sind es nicht allzu viele, dank des rührigen Heildieners Jacob Möllenbeck, der sein Handwerk als Sanitätsgehilfe in der preußischen Armee erlernte und dank seines alten Schulfreundes Martin Grottkamp, der, ebenfalls verdienter Soldat, in seinem Heimatdorf nun als Polizeidiener für Recht und Ordnung sorgt. Die eigentlichen Herren sind jedoch die Familien Huyssen, Haniel und Jacobi, Seite an Seite mit den Krupps aus dem benachbarten Essen.
Sie sind die Besitzer der Hütten- und Stahlwerke, in denen schon mehrere Tausend Arbeiter schuften. Ihre aus dem Boden der landwirtschaftlichen Flächen gestampften Arbeiterhäuschen und Mietskasernen verdrängen mehr und mehr die bäuerlichen Anbaugebiete. Parallel entstehen überall neue Zechen, um den Weg der Kohle zur Bearbeitung des Stahls kurz zu halten. Einer von ihnen ist der Hüttenarbeiter Julius Terfurth. Mit eingeschlagenem Schädel liegt er in einer Wasserlache am Hagelkreuz.
Viel und schwerer Stoff für ein so leichtes Sujet. Peter Kersken, selber 1952 in Oberhausen-Sterkrade geboren, meistert ihn gekonnt. Historische Tatsachen preußischer Politik, Industriegeschichte und das Leben und Sterben im Umfeld der Gutehoffnungshütte mischt er geschickt mit Fiktion und Kriminalgeschichte.
Kersken spricht es an. Doch er beschreibt das Jahr 1866. Die Arbeitsbedingungen waren schier unmenschlich, die Arbeit am Abstich des Hochofens lebensgefährlich, der glühende Stahl an den Walzstraßen oder Schmiedehämmern konnte jederzeit tödlich sein.
Daß man sich nach so einem Arbeitstag neuen Lebensmut antrinkt, mag verständlich sein. Es kommt aber nicht so richtig rüber, wie die Menschen an diesen Lebens- und Arbeitsbedingungen zerbrochen sind. Ihre Romansprache ist zu fein, die Obrigkeitshudelei unglaubwürdig. Eine weitere Empfehlung erlaube ich mir anzuhängen: Ebenfalls im Emons-Verlag erschien der historische Kriminalroman „Türkischrot“ von Christiane Gibiec. Im Vormärz des Jahres 1845 erzählt er eine ähnliche Geschichte aus der Heimat Friedrich Engels, nämlich die Zeit der Frühindustriealisierung an der Wupper, dort allerdings mit drastischer Schilderung der Arbeitsbedingungen und Verelendung der sich bildenden Arbeiterschicht.
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Peter Kersken
Tod an der Ruhr Historischer Kriminalroman © 2008 Emons-Verlag 320 Seiten Broschur 11,- € ISBN: 978-3-89705-581-0
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