"Ach was!?"

Loriot wird heute 85

von Andreas Rehnolt und Frank Becker

Foto © Frank Becker
"Immer wieder über alles wundern"
 
Der Humorist, Zeichner, Autor und Schauspieler Loriot
feiert heute seinen 85. Geburtstag
 

"Ich zeige ja allzu menschliche Dinge, die wirklich jedem passieren und einen großen Wiedererkennungswert haben. Darüber hinaus muß man wach bleiben, nichts als selbstverständlich hinnehmen und sich über alles wundern", so Victor von Bülow alias Loriot über sein Erfolgsrezept. Der Humorist, Zeichner, Autor, Schauspieler und Regisseur wird heute, am 12. November 2008, stolze 85 Jahre alt. Der Schöpfer des berühmten Knollnasen-Männchens zählt zu den beliebtesten Humoristen im deutschsprachigen Raum. Wo auch immer Sendungen von ihm im Fernsehen wiederholt werden, sind sie nach wie vor ein Renner in der Zuschauergunst. Auch seine Kinofilme wie "Ödipussi" oder "Pappa ante portas" waren und sind große Erfolge.
 
"Sagen sie jetzt nichts, Hildegard..."

Den allermeisten Menschen ist Loriot allerdings durch seine oft gespielten Sketche mit der Schauspielerin Evelyn Hamann (1942-2007) wie etwa die "Liebeserklärung", die an einem Stückchen Nudel scheitert, den Trickfilmen mit Dr. Klöbner, Herrn Müller-Lüdenscheid und einer Gummi-Ente in

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der Hotelbadewanne im Gedächtnis. Bücher, CDs und nicht zuletzt Buchstützen mit den beiden Protagonisten sind bis heute beliebte Präsente für Loriot-Fans. Unvergeßlich auch seine tiefschürfenden Plaudereien mit Evelyn Hamann auf dem berühmten roten Sofa. Ganze Generationen von Fernsehzuschauern haben darüber Tränen gelacht. Seit dem Sketch um "Arosa schlitzverstärkt" und das mißlungene Liebensabenteuer
bei der Vereinigten Europa-Trikotagen GmbH Meltzer & Co. kann wohl niemand mehr das Wort "Auslegware" ohne stilles Schmunzeln hören.
 
Loriots Dramatische Werke

Seit einigen Jahren ist es stiller geworden um den Jubilar, der davon überzeugt ist, daß das
 
Foto © Frank Becker
Fernsehen heute "zu schnell geworden ist für meine Komik". Die von ihm stets angestrebte und geleistete "komische Qualität" sei kaum mehr erreichbar im hektischen TV-Geschäft. Zu seinem 85. Geburtstag gibt es eine ganze Reihe von Würdigungen für den Mann, der als Preuße mit einer besonderen Beziehung zu Wagner und Möpsen am Starnberger See lebt. So bringt das Berliner Schiller Theater vom 27. November an das Stück "Loriots Dramatische Werke" auf die Bühne und zeigt 16 live gespielte Sketche des Humoristen. Darunter auch "Mutters Klavier" und natürlich "Herren im Bade".
 
Die ARD zeigt einen Tag nach dem 85. Geburtstag ein Porträt des Humoristen mit Interviews,
 
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Filmausschnitten, Cartoons und Ausflügen in die klassische Musik. Und schließlich zeigt das Berliner Museum für Film und Fernsehen vom 6. November bis zum 29. März eine große Ausstellung zu Leben und Werk des eher stillen Humoristen, in der auch einige noch nie gezeigte Werke präsentiert werden sollen. 22 Cartoon- und sechs reine Sketchsendungen hat er gemacht. Was ihn freut, ist, daß "meine Arbeit immer noch ihr Publikum hat und schon Zehnjährige meine Sketche auswendig können," sagte der Jubilar, der für seine exakte Planung von Witz und Hintergründigkeit bekannt ist.
 
Zu Gast bei Hoppenstedts

"Der deutsche Film ist angenehmer als eine Nase, denn bei durchschnittlicher Länge läuft er nur 90 Minuten." Diesen Ausspruch über die Filmkunst hat Vicco von Bülow seinem berühmten Knollnasen-Männchen in den Mund gelegt. Auch der berühmte Hund Wum und seine Freunde, der Elefant Wendelin und der blaue Klaus, mit denen das ZDF über viele Jahre für die Aktion Sorgenkind warb, stammten aus Loriots Feder, die zugehörigen Stimmen von ihm selbst. Köstlich auch der Hund, der über Talkshows spricht, Opa Hoppenstedt, der seinem chemie-besessenen Enkel zu Weihnachten ein kleines Atomkraftwerk zum Basteln schenkt oder Frau Hoppenstedt. Unvergeßlich, wie Evelyn Hamann beim Jodel-Seminar Herrn Doktor Vogler zur Weißglut bringt, weil sie einfach nicht begreift, daß „Hollerö dö dudel dö" als zweites Futura Sonnenaufgang" etwas gänzlich anderes ist, als „Holleri du dödel di“. Evelyn Hamanns genial aus Loriots Feder geflossener Fernsehansagerin-Sketch  über die Verwirrungen um Nether-Eddelthorpe und Priscilla Moldsworth rafft jedes Mal das Fernsehvolk in Lachattacken hin.
 

Foto © Frank Becker
Der Kosakenzipfel

Zu seinen populären Figuren zählen sicherlich auch der Lottogewinner Erwin Lottemann, der mit dem Papst in Wuppertal eine Herren-Boutique aufmachen will, die legendäre Steinlaus, ohne die der „Pschyrembel“ nur Makulatur wäre, der hochdramatische Streit um den letzten "Kosakenzipfel" als Nachtisch in einem Restaurant und das spontane Saufgelage von Frau Hoppenstedt mit dem Wein- und dem Staubsaugervertreter: „Es saugt und bläst der Heinzelmann...“ Da bekam manch einer der Fernseh-Zuschauer Bauchweh vom Lachen und lernte die Wohltaten von Freudentränen kennen. Vergessen wir auch nicht die nervtötende Ehefrau, die ihren Mann aus der entspannten Ruhe reißt: „Hermann, was machst du...?“. "Lachen ohne Anlaß ist pure Dämlichkeit", sagte der Jubilar anläßlich seines 80. Geburtstages vor fünf Jahren in einem Interview.
 
Reinhold das Nashorn

Der am 12. November 1923 in Brandenburg an der Havel geborene Bernhard Victor Christoph-Carl

© Bruckmann München
von Bülow stammt übrigens aus einer alten preußischen Offiziersfamilie, deren Familienchronik zumindest hauptberuflich den Humor nicht vorsah. Nach dem Zweiten Weltkrieg zeichnete er ab 1950 unter dem Pseudonym "Loriot" Karikaturen. Von 1954 bis 1971 erschien in der Kinderbeilage der Illustrierten "Stern", dem "Sternchen" ("Alle Kinder lieben Stern, denn Sternchen ist das Kind vom Stern") wöchentlich eine lustige Zeichengeschichte um "Reinhold das Nashorn" aus Loriots Feder. Das Pseudonym, das später sein Markenzeichen wurde, geht auf das Wappentier der Familie zurück, den Pirol, der auf französisch Loriot heißt. Laut dtv-Lexikon nennt man den starengroßen, gelbschwarzen Singvogel des Laubwaldes volkstümlich auch "Vogel Bülow".
Daß der korrekte Preuße auch eine erotisches Seite hat - dezent, versteht sich - konnte Hanns Hubmann 1974 feststellen, als er Loriot für sein Buch "Die stachlige Muse" porträtierte. Das wollen wir Ihnen zum guten Abschluß natürlich nicht vorenthalten.
 
Mehr über Loriot auch hier: www.steffi-line.de
und hier: www.loriot.de

Redaktion und Fotos: Frank Becker