„verliebt in das Medium Fotografie“

Ralph Gibson – „ Secret of Light““

von Johannes Vesper

Ralph Gibson: Secret of Light –
„verliebt in das Medium Fotografie“
 
In den Deichtorhallen Hamburg bis 20.08.2023
 
Die Ausstellung zeigt Fotografien aus der dort beheimateten Sammlung Gundlach und aus dem privaten Bestand des Fotografen, der zusammen mit Dr. Sabine Schnakenberg die Ausstellung auch kuratiert hat. Ralph Gibson, 1939 in Los Angeles geboren, bildet die Welt nicht ab, wie sie ist. Seine Fotos dokumentieren nicht die sogenannte Wirklichkeit, sondern bilden grafisch-ästhetische, psychologische, fotografische Ideen. „Was mich interessiert, ist, eine Idee durch die Fotografie auszudrücken“. Er macht sich sein Bild von den Dingen und zeichnet mit Licht im originalen Sinn des Wortes „Photographie“. Wenn er ungewöhnliche, ungewohnte Ausschnitte präsentiert oder inszeniert, wird die Welt im Auge des Betrachters zu etwas anderem, wird bildnerisch reduziert bis zur Abstraktion.
 
Nach Eintritt 1956 in die Marine wurde er an der Naval School of Photography in Pensacola (Florida) zum Fotografen ausgebildet. 1970-1974 brachte er erste eigene Kunstbücher in seinem Verlag heraus (The Somnambulist 1970, Deja-Vu 1972, Days at Sea 1974). Immer wieder spielt der Fotograf mit dem Licht, wenn z.B. in der farbigen Serie „Theorem“ (1977) gradlinige Schatten schrägt parallel auf rote Backsteinwand fallen oder horizontale Holzmaserung einer bewegten Meeresoberfläche gegenübergestellt wird.

Eine seiner berühmtesten s/w Fotografien aus der Serie „The Somnambulist“ (1970) zeigt einen weißen Flur mit einer rechts angeschlagenen, nach links hinten halb geöffneten, weißen Zimmertür, die einen schwarzen Schatten auf dem Boden wirft. Eine von hellem Lichthof umgebene, einsame, schauerlich-schwarze Hand ist im Begriff, von links den Türgriff zu fassen und wirft einen zunächst nicht auffälligen Schatten auf die Wand rechts. Die auffällige Schwärze der Hand wurde erreicht durch die Technik der Solarisation, die in der analogen Fotografie gelegentlich ihre bemerkenswerten Effekte entfalten kann (zur Technik siehe dazu auch). Da wird mit Licht und Schatten Unterbewußtes angesprochen.
 

© Ralph Gibson


© Ralph Gibson

Die Haut der am Strand auf ihrer rechten Seite liegenden Frau im Bikini mit verrutschtem Oberteil -Kopf nicht im Bild- unterscheidet sich nach Struktur und Farbe kaum vom grauen Himmel. (Serie Nudes). Auch hier wirft die leicht angehobene Hand einen Teilschatten auf Hüfte und Bikinihöschen. Schatten werfen auch die teilentblößte linke Brust und der linke Oberschenkel. Nacktheit wird hier zu reiner Ästhetik in grober Körnung ohne erotische Ausstrahlung. Auch seine Aktfotografie (Nudes 1968-2005) zeigt kleinste Einzelheiten subtil und gnadenlos (z.B. 1. Frontispiz).

Eine isolierte Hand ist auch Thema eines Bildes aus der Serie „De ja vu“(1972). Sie hält einen gespannten Revolver in die Luft. In der Ferne breitet sich unter dem grauen Himmel mit (oft Sturm androhenden) dunklen Zirruswolken eine ebene Savanne aus. Wer warum auf was schießt, bleibt unklar. Der Revolverschütze immerhin wird durch sein Kettenarmband am Handgelenk charakterisiert.
 

© Ralph Gibson


© Ralph Gibson

Die Hand als Fotoobjekt interessierte Ralph Gibson immer wieder. Daß ein Mann mit Hut den ramponierten Gehstock mit seiner Hand hält (1960 Katalog S. 51), zeigt nur der Schattenriß am Boden. Naturobjekte (2115-2022: Licht und Schatten am Strand, Ausschnitt aus einem Blütenmeer,  Hand mit Füllfederhalter am Strand mit den unterschiedlichsten Grautönen auf (2. Frontispiz).
Der Fotograf, der seit 2012 auch digital fotografiert, gehört zu den großen Fotokünstlern der Welt. Seine Werke wurden von vielen Museen aufgekauft und gezeigt, u.a. vom Museum of Modern Art in New York, vom J.P. Getty Museum in Los Angeles, dem Simon Guggenheim Memorial Foundation, dem Museum of Fine Arts in Houston und dem Maison Européenne de la Photographie et de la Bibliothek National de la France. Der bei KEHRƎR erschienene opulente, großformatige Katalog zeigt die nicht betitelten Fotografien in hervorragender Qualität. Das fotografische Werk wird in informativen Texten umfassend analysiert und dargestellt. Zusätzlich zu den Essays finden sich ein umfangreicher tabellarischer Lebenslauf des Fotografen und eine ausgewählte Bibliografie.
 

© Ralph Gibson

Ralph Gibson – „ Secret of Light“
Herausgegeben von Sabine Schnakenberg, Haus der Photographie / Deichtorhallen Hamburg. Texte von Matthias Harder, Viktor Hois, Dirk Luckow, Gilles Mora, Sabine Schnakenberg.
Erschienen anläßlich der Ausstellung in den Deichtorhallen Hamburg, Halle für aktuelle Kunst.
© 2023 Kehrer Verlag Heidelberg, 240 Seiten, gebunden, 24 x 32 cm. 120 S/W- und 36 Farbabb., Deutsch, Englisch - ISBN 978-3-96900-104-2
49,90 €
 
Weitere Informationen:  www.kehrerverlag.com