Willkommen im Heute
Regierung will Einbürgerung erleichtern
Von Lothar Leuschen
Da geht ja doch noch etwas. Mit dem Kabinettsbeschluß, das Einbürgerungsrecht in Deutschland zu modernisieren, hat die Bundesregierung beinahe überraschend wieder einmal Einheit demonstriert. Das war fast schon nicht mehr zu erwarten. Umso erfreulicher ist, daß sich das Dreierbündnis dabei auch noch eines Themas angenommen hat, das über die Zukunftsfähigkeit dieser Nation mitentscheiden wird. Denn von den vielen Gespenstern, die durch die Welt der Politik geistern, ist der demografische Wandel auch in Deutschland das gruseligste. Die Gesellschaft überaltert. Schon heute fehlen Fachkräfte und Auszubildende. Das wirkt sich zunehmend auf die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft aus. Und von der Wirtschaft, vom Erfolg der Unternehmen hängt ab, ob dieses Land seinen immer noch sehr weit verbreiteten Wohlstand erhalten kann.
Deshalb ist es längst überfällig gewesen, eine Hürde zum Beitritt zur deutschen Gesellschaft zu senken. Daß der Preis dafür die Duldung doppelter Staatsbürgerschaften ist, mag aktuell manchen Wahlkämpfer auf Touren bringen. Aber tatsächlich, Markus Söder, kann vom Verramschen des deutschen Passes keine Rede sein. Denn erstens bleibt die Staatsbürgerschaft an Bedingungen geknüpft und zweitens werden leider nicht sehr viele gut qualifizierte Menschen auf das Dokument mit dem Adler zugreifen wollen. Dazu ist Deutschland im Moment viel zu unattraktiv, nicht zuletzt durch eine rechtsnationalistische, ausländerfeindliche Partei im Bundesparlament. Zusätzliche Zuwanderung ist das übrigens nicht. Die Menschen sind bereits jahrelang im Land – als Gäste. Denn überhaupt ist die Bundesrepublik bei den Einbürgerungen pro 100 Ausländer in Vergleich etwa mit Schweden, den Niederlanden, Rumänien oder Portugal bisher äußerst zurückhaltend. Das paßt nicht zu einer Nation, deren Wirtschaft existenziell auf weltweite Vernetzung, auf Offenheit und eine vernünftige Willkommenskultur angewiesen ist. Deshalb ist die Reform des Einbürgerungsrechts notwendig und letztlich nichts anderes als die Ankunft der Politik in der Gegenwart.
Der Kommentar erschienen am 24. August 2023 in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.
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