Überraschungspolitik
Jetzt will auch die SPD den Industriestrompreis
Von Lothar Leuschen
Aus dieser Regierungskoalition soll noch jemand schlau werden. Grün gegen Gelb, Rot gegen Grün, und dann plötzlich überholt die SPD ihren grünen Koalitionspartner auf der Subventions-Beschleunigungsspur. Der Industrie kann’s egal sein. Wenn die Fraktionen von SPD und Grünen das Bundeskabinett überzeugen können, dann darf das produzierende Gewerbe in Deutschland mit fünf Cent je Kilowattstunde Strom rechnen. Daß die SPD-Fraktion mit ihrem Vorschlag das Angebot des grünen Bundeswirtschaftsministers dabei noch um einen Cent übersteigt, ist das Tüpfelchen auf dem I oder auch die Bestätigung dafür, daß es vollständige Einigkeit in diesem Berliner Dreierbündnis nicht allzu häufig gibt. Sei’s drum. Womöglich bekommt die Wirtschaft nun, wonach sie so dringend fragt. Deutschland ist im internationalen Vergleich ein sehr teures Energieland. Darunter leidet die Wettbewerbsfähigkeit, was sich in einer – wenn auch noch leichten – Rezession bemerkbar macht. Deshalb spricht einiges dafür, den Börsenpreis per Subvention von derzeit gut acht Cent auf fünf Cent senken.
Ein Schuh wird aber erst dann daraus, wenn die Subvention spätestens in den nun vorgesehenen fünf Jahren auch wieder beendet werden kann. Dafür müssen viele Rädchen ineinandergreifen. Die Betriebe müssen in die Lage versetzt werden, auf erneuerbare Energie zurückgreifen zu können. Damit das gelingt, muß die Bundesregierung das Transformationstempo erhöhen, in dem sie bürokratische Hürden abbaut und Anreize für Investitionen in sauberen Strom schafft. Hier liegt Rot-Grün-Gelb weit hinter selbstgesteckten Zielen zurück.
Außerdem ist natürlich überhaupt noch nicht gewiß, daß es zu einem Industriestrompreis in Deutschland kommt. Während der liberale Finanzminister Lindner dank intensiver Lobby-Arbeit davon wahrscheinlich doch noch zu überzeugen sein dürfte, steht Regierungschef und Bundeskanzler Olaf Scholz dem Plan, der ursprünglich aus dem Hause Robert Habeck stammt, sehr kritisch gegenüber. Vor wenigen Tagen noch hat Scholz dieser Subvention eine strikte Absage erteilt.
Der Kommentar erschienen am 25. August 2023 in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.
|