Scholz sucht den Kleber
Was hält die Bundesregierung zusammen?
Von Lothar Leuschen
Eine Zukunftskoalition hat es sein sollen. So schrieben es SPD, Grüne und FDP in das Koalitionspapier, bevor sie im Herbst des Jahres 2021 antraten, die Republik zu reformieren. Das ist jetzt annähernd zwei Jahre her, und nun trifft sich das Kabinett von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Meseberg zur Therapie. Kabinettsklausuren sind freilich nichts Außergewöhnliches und gehören zu einem professionellen Regierungsgebaren. Aber im Fall der Dreierkonstellation ist es diesmal wieder die Notoperation am offenen Herzen. Wie toxisch diese Ménage à trois ist, hat jüngst der Streit um die Kindergrundsicherung gezeigt. Gerade an diesem Beispiel zeigt sich das Grundproblem der Bundesregierung. Die Ansätze sind grundverschieden, und auch die Definition dessen, was ein Staat für seine Menschen sein soll, ist in dieser sozial-ökologisch-liberalen Kombination nicht auf einen Nenner zu bringen.
Denn SPD und Grüne scheinen wild entschlossen zu sein, den anleitenden, bemutternden Staat konstruieren zu wollen. Das zeigte zunächst das Gebäudeenergiegesetz aus dem Hause des grünen Wirtschaftsministers, das Hauseigentümern im ersten Versuch vorschreiben wollte, welche Heizungen sie künftig einbauen. Den Klimaplan hat die FDP auf praktikabel umgeschrieben. Das gilt nun auch für die Kindergrundsicherung, die Finanzminister Christian Lindner zunächst auf 2,4 Milliarden Euro pro Jahr begrenzt hat. Seine Sorge teilen viele Bundesbürger mittlerweile. Die staatlichen Transferleistungen steigen, während der Staat seinen Bürgern die Eigenverantwortung abnimmt. Fordern und Fördern geraten aus dem Gleichgewicht. So zumindest sehen es die FDP und in der Opposition auch weite Teile der Union. Ihnen stehen SPD und Grüne mit Sympathie der Linken gegenüber, die mit Mindestlohn, Bürgergeld und Kindergrundsicherung bis hin zum bedingungslosen Grundeinkommen weiter am bemutternden Staat arbeiten wollen. An diesem Punkt treffen sich Politikansätze, die unterschiedlicher nicht sein können. Es braucht deshalb viel Fantasie, sich den Kleber vorzustellen, mit dem Kanzler Scholz dieses brüchige Bündnis zusammenhalten kann.
Der Kommentar erschienen am 30. August 2023 in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.
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