Auf den Leim gegangen

Jordi Galcerans "Die Grönholm-Methode" in Wuppertal

von Frank Becker
Raffiniertes Kammerspiel

Eva Lange inszeniert in Wuppertal Jordi Galcerans

Die Grönholm-Methode


Inszenierung:
Eva Lange - Ausstattung:  Jeremias H. Vondrlik - Dramaturgie: Alexandra Jacob
- Fotos: Michael Hörnschemeyer

Fernando Porta:  Andreas Möckel  -  Enrique Font: Thomas Braus  -  Mercedes Degas: Olga Nasfeter  -  Carlos Bueno: Patrick Schnicke

Hauen und Stechen

Ein Raum mit vier Stühlen, zwei davon aneinandergekettet. In eine Wand eingelassen drei Klappen.
 
Möckel, Nasfeter, Braus (v.l.)
Foto © Michael Hörnschemeyer
Vier Bewerber für einen leitenden Posten in einem multinationalen Konzern: drei Herren im gedeckten Dreiteiler, zwei mit dunklen Krawatten, einer davon mit einer roten, eine Dame im strengen dreiteiligen Hosenanzug. Fernando Porta (Andreas Möckel) betritt als erster die Walstatt,
hat einen Aktenkoffer bei sich, wirkt nur wenig nervös, gibt sich smart, hart und etwas überheblich. Kandidat 2 ist  Enrique Font (Thomas Braus), der genau wie Porta überrascht ist, gleichzeitig zu dem delikaten Vorstellungsgespräch eingeladen zu sein. Er scheint geschwätzig, kulant, ängstlich zu sein. 3 und 4 kommen gemeinsam: Mercedes Degas (Olga Nasfeter) ist etwas reserviert, gibt sich kühl bis kalt, streicht männliche Härte durch eine strenge Frisur heraus - Carlos Bueno (Patrick Schnicke) wirkt zunächst wie ein Sonnyboy, erweist sich bald als moderat vernünftig. Alle vier wollen den Posten. Aber wie? Niemand ist da, sie zu begrüßen. Bis sich in der Wand eine Klappe öffnet und einen Umschlag freigibt, der das Quartett mit der Information konfrontiert, einer unter ihnen sei kein echter Bewerber, sondern gehöre zur Firma. Innerhalb zehn Minuten soll er entlarvt und benannt werden. Das psychologische Hauen und Stechen kann beginnen.


Möckel, Braus, Schmicke, Nasfeter (v.l.)
Foto © Michael Hörnschemeyer
Kammerspiel

Jordi Galcerans raffiniertes Kammerspiel nimmt sich sogenannte Assessment-Methoden vor, die tatsächlich benutzt werden, um durch undurchschaubare psychologische Spiele die Eignung von Bewerbern für verantwortungsvolle und teils hoch dotierte Posten herauszufinden. Daß dabei bis an die Grenzen der psychischen Belastbarkeit gegangen wird ist bekannt - und zeigt sich auch sehr schnell in "Die Grönholm-Methode". Besonders listig dabei ist Autor Jordi Galceran vorgegangen, indem er dem Publikum den Happen ebenso vorwirft - und das schnappt zu. Ruckzuck ist man dank Eva Langes hervorragender Inszenierung und dem dichten Spiel der vier Protagonisten mittendrin. Die Personen bewegen sich umeinander herum, belauern sich, beziehen wechselnde Positionen. Wer ist der "Verräter"? Ist es ein Trick und keiner ist falsch? Ist Team-Arbeit angezeigt oder Grabenkampf?

Fallbeil

Die Klappe wird weiter niedersausen wie ein Fallbeil und Aufgaben ausspeien, die den Personen

Nasfeter, Möckel (v.l.)  - Foto © Michael Hörnschemeyer
höchste, intimste Entäußerungen abverlangen werden. Wer den Raum vor der Zeit verläßt ist unwiderruflich raus aus dem "Spiel", das mit Lebenskatastrophen, Ängsten, seelischen Kapazitäten  jongliert. Wie weit setzen sich die Bewerber der Lächerlichkeit, der Enthüllung, der Verletzung aus? Wie weit darf ein Unternehmen gehen und wie weit läßt sich jemand treiben, der diesem Unternehmen angehören will? Das perfide Spiel läßt für den Zuschauer Raum für manchen Lacher, doch der Kloß im Hals wird größer. Leute, das ist nicht komisch! Im Aufeinanderprallen ihrer Charaktere beweisen Thomas Braus und Andreas Möckel bis ins winzigste mimische Detail ihren hier schon oft unterstrichenen unerhört hohen Rang. Die beiden jüngeren Mitglieder des Wuppertaler Ensembles Olga Nasfeter und Patrick Schnicke schließen dicht auf. Ein Jammer, daß man in der nächsten Spielzeit auf sie wird verzichten müssen. (Lesen Sie dazu morgen den Kommentar "Die Treskow-Methode".)

Brutal

Die Entwicklung auf das Ende des Dramas zu ist brutal. Die Wirklichkeit ist es wohl auch. Geschont wird nicht, denn es gibt noch andere Bewerber. Gesucht wird "nicht der gute Mensch, der nach außen ein Arschloch ist, sondern ein Arschloch, das nach außen ein guter Mensch ist". Nun ja, wenn das die Kriterien sind, nach denen die Vorstandsposten unserer Wirtschaft und Finanzwelt besetzt werden, wissen wir zumindest, warum alles so ist, wie es derzeit ist. Wie mache ich einem Menschen fertig? Wer es noch nicht weiß, schaut sich "Die Grönholm-Methode" an. Zynischer geht es kaum. Ein brillanter Theater-Abend.

Weitere Informationen unter:  www.wuppertaler-buehnen.de