Das Enigma Bachmann umkreisen

Margarethe von Trotta – „Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste“

von Renate Wagner

Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste
Deutschland 2023

Drehbuch und Regie: Margarethe von Trotta
Mit: Vicky Krieps, Ronald Zehrfeld, Tobias Resch, 
Basil Eidenbenz, Marc Limpach u.a.

Schon zu ihren Lebzeiten war sie als Person so interessant wie durch ihr Werk: Ingeborg Bachmann, bis heute (auch ohne Nobelpreis) Österreichs Paradeschriftstellerin. Vor 50 Jahren, am 17. Oktober 1973, ist die 1926 in Klagenfurt Geborene in Rom gestorben – ein rätselhafter, gewaltsamer, wenn auch nicht fremd verschuldeter Tod.
Um diesen geht es Regisseurin Margarethe von Trotta in diesem Biopic (zu eigenem Drehbuch) nicht. In der Reihe ihrer großen Leinwand-Frauenbiographien (Hannah Arendt, Hildegard von Bingen und Rosa Luxemburg) hat die Bachnann, aus deren Leben die Autorin / Regisseurin vor allem zwei Schwerpunkte herausstellt, durchaus Unterhaltungswert. Die Beziehung zu einem der berühmtesten Schriftsteller ihrer Zeit und eine Erotik-getränkte Reise nach Ägypten, ergeben kein trockenes Literatinnen-Porträt, sondern jede Menge innerer und äußerer Spannungen.
 
Ingeborg Bachmann und Max Frisch, das war explosiv. Zum runden Gedenktag ist – als eines der letzten bis dann unveröffentlichten Konvolute – voluminös der Briefwechsel zwischen den beiden im Vorjahr bei Suhrkamp erschienen. Über tausend Seiten, auf denen sich zwei Schriftsteller in ihrem ureigensten Element, der Sprache, an einander abgearbeitet haben – hoch spannend für Interessenten.
Im Film gibt es die Beziehung komprimierter. Die 32jährige Bachmann und der 47jährige Frisch begegneten einander erstmals 1958 in Paris, nachdem er ihr schriftlich seine Komplimente zu Füßen gelegt hatte. Ingeborg Bachmann war stets bereit, sich in neue Beziehungen zu stürzen. Jene mit Max Frisch lief aus vielen Gründen schief. Vor allem, weil er – es waren andere Zeiten – noch so selbstverständlich als Macho agierte, daß er auch von der Bachmann verlangte, daß sie sich (inklusive Kochverpflichtung) einfach wie eine Frau an der Seite eines Mannes verhalten möge, quasi in „dienender“ Rolle, was für sie nicht in Frage kam. Daß sie ihn gar in den Schatten stellte, vertrug er schlecht. Doch ihr Selbstbewußtsein als Schriftstellerin war so groß wie seines, sie ließ sich nicht unterdrücken, sie forderte mindestens Gleichberechtigung, wenn nicht mehr – jene Bewunderung, die sie gewöhnt war. Sie waren zwei bedeutende Schriftteller – und noch bedeutendere Egos.
 
Diese nach und nach unmögliche Beziehung, die immerhin vier Jahre dauerte und sich in Zürich und dann in Rom, der Wunschstadt der Bachmann, abspielte, zeichnet Trotta sensibel nach, ohne im geringsten ein weinerlich-anklagendes Frauen-Kampfstück daraus zu machen. Schon gar nicht in jenem Handlungsstrang, wo die Bachmann mit dem Wiener Journalisten Adolf Opel nach Ägypten fuhr – eine Reise, die sie zu extremer Selbsterfahrung auf vielen, auch körperlichen Ebenen nutzte.
Man erlebt die Bachmann darüber hinaus in kleinen Szenen in Italien, mit Hans Werner Henze, mit dem alten Dichter Ungaretti, den sie übersetzte, mit Tankred Dorst – wer kein Bachmann-Fachmann ist, wird mit manchem wenig anzufangen wissen. Aber es geht ja vor allem darum, eine wirklich schillernde Figur atmosphärisch zu umreißen, um zu zeigen, daß man sie eigentlich nicht fassen kann.
 
Vicky Krieps leistet vor allem eines. Wer die Bachmann nicht persönlich gekannt hat, sieht auf Bildern ein Durchschnittsgesicht, eine unspektakuläre Erscheinung, keine im konventionellen Sinn attraktive Frau. Die Darstellerin gibt ihr die Ausstrahlung sowohl der reizvollen Weiblichkeit, immer in hübschen Kleidern, sowie das Flair sexueller Bereitschaft, ja Herausforderung.
Hoch überzeugend auch Ronald Zehrfeld, gewissermaßen unschuldig in seiner Macho-Selbstverständlichkeit als Max Frisch, dem die Frau, die keinen Schritt zurück weicht, am Ende zu anstrengend wurde. Eindrucksvoll Tobias Resch als Adolf Opel, ein sich selbst ganz hintanstellender, bewundernder Diener des „Stars“ Bachmann.
Es ist kein Ideologie-Film, der Feministisches beweisen will. Es geht einzig darum, das Enigma Bachmann zu umkreisen und etwas von der Faszination zu vermitteln, die sie als Mensch und Frau ausgestrahlt haben muß.
 
 
Renate Wagner