Der Alte Mann und sein Hund (36)
Friedensgespräche
Der alte Mann ging mit seinem Hund spazieren. Im Radio hatten sie Regen angekündigt und tatsächlich nieselte es aus der himmlischen Sprinkleranlage. Sie wollten den kleinen Park bis zur Realschule in der Südstadt durchqueren und dann wieder umkehren. So bekam man den Kopf frei und hatte Kontakt mit dem beginnenden Tag. Der alte Mann freute sich schon auf die beiden Frauen, die auch um diese Uhrzeit den Tag mit ihren Hunden begrüßten. „Geht es gut?“, fragte er immer, „Es muß“, antworteten sie dann. Ein kleines Schwätzchen belebt und die Hunde konnten herumtollen. Wie gut der Umgang unter Hundebesitzern eingerichtet ist, dachte der alte Mann. Da gab es nie Streit, weil man sich verstand. Wie oft hatte der Mann erlebt, daß eine Hundebesitzerin auf seinen Hund gezeigt und gefragt hat: „Ist das ein Rüde?“ Da sagt man nicht „Das geht sie gar nichts an“, sondern nickt und geht dem wilden Rüden aus dem Weg. Manche Herrchen riefen auch „Meine Hündin ist läufig“, dann wechselte man die Straßenseite und ließ die Hündin in Ruhe. Wie gut könnten es alle Geschöpfe haben, wenn man miteinander sprechen würde. „Ich hätte meine Frau gar nicht geheiratet, wenn sie mir vorher erzählt hätte, daß sie keine Hunde mag“, vertraute ihm ein Nachbar an. Recht hat er. Man müßte sich viel mehr voreinander warnen, dann könnte man miteinander leben, ohne daß es Streit geben würde. „Ich habe schlechte Laune“, könnte man allen zurufen, wenn man in Ruhe gelassen werden will. „Ich bin heute unausstehlich und ungerecht“, könnte man rufen und die Welt gehörte einem alleine. Man könnte aber auch einer Bekanntschaft sagen „Ich will nur spielen“, dann weiß sie, daß die Absichten nicht auf ein längeres Beisammensein ausgerichtet sind und kann sich dementsprechend zieren. Der alte Mann hatte eine Bekannte, die manchmal auf den Bullterrier ihres Sohnes aufpassen mußte. Obwohl er „ganz lieb“ sein soll, ging der alte Mann ihr doch aus dem Weg, wenn sie mit dem Kampfhund ihm entgegenkam. „Der ist ganz lieb“, rief sie dann immer. „Ich weiß“, sagte er dann, „aber sicher ist sicher.“
© 2023 Erwin Grosche
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