Da muß man schon umdenken!

Erwin Grosche - „Dem Tiger die Stirn bieten“

von Frank Becker

Foto © Harald Morsch
Da muß man schon umdenken!
 
Forum Maximum im „Rex“:
Erwin Grosche - „Dem Tiger die Stirn bieten“
 
Wer den Versuch unternimmt das Phänomen Erwin Grosche zu erklären, dem wird es so gehen wie dem größenwahnsinnigen Brühwürfel, der sich einbildet, aus dem Kaspischen Meer eine Riesenschüssel Suppe machen zu können. So einfach geht das nicht! Grosches Universum verfügt über scheinbare Einbahnstraßen mit plötzlichem Gegenverkehr. Der legitime Verwalter des Erbes von John Wayne, charmante Mischung aus Brad Pitt und Albert Einstein, Solist an Nudeltüte und Heckenschere und Schöpfer der „Kurzszenen voller Anmut und Lebensfreude“ entzieht sich mit listigem Blick dem Zugriff. Man muß da schon umdenken. Und ihn lieben. Anders geht es gar nicht, wenn Erwin Grosche vom Sound des Sommers erzählt, der in seinem Rasenmäher schwingt. Rasenmähen ist eine Kampfhandlung, denn der Rasen lebt: „Hol mich doch, hol mich doch!“. Und so wird das Radau-Ritual zum Ausdruck irdischer Ordnung.

Wie relativ das Glück sein kann, erläutert Grosche an Beispielen aus dem eigenen Alltag und (Vor-) Leben: da findet er des Morgens einen Glückspfennig auf der Straße - aber würde ein Glücks-Tausendmarkschein nicht viel mehr Glück bedeuten? Zu viel Glück wiederum ist auch nicht erstrebenswert, Grosche weiß es, im letzten Leben war er ein Schaf im Streichelzoo. Und er weiß auch, was die Hölle ist: die rote Socke in der Waschmaschine mit Weißwäsche, einlagiges Klopapier, ein Freibad ohne Toilette, ein sattes Kind füttern müssen ... und Hamm. Bei der Planung der Dinge, die er in diesem Leben noch unbedingt erledigen will, steht übrigens Fensterputzen an letzter Stelle!

Richtet sich Buchstabennudelsuppe nach der Rechtschreibreform? Kann man eigentlich sagen: ein eingefleischter Vegetarier? Gibt es Gott? Fragen, die den liebenswerten Philosophen mit der sanften Stimme Gott sei Dank (!) noch nicht auf den Scheiterhaufen der Paderborner Inquisition gebracht haben. Laut Erwin Grosche, der das Ying und Yang des Tortenessens begriffen und eine Lobeshymne auf das Bäckerhandwerk verfaßt hat („Bäcker, du hast noch vor Joseph Beuys dein Kuchenblech mit Fettecken eingeschmiert!“) kann der Genuss einer Torte einen Menschen verändern - manche merken es am Leibesumfang zuerst.
Die skurrile Oma-Trilogie als Zugabe - „Kleine Omis mit neuen Gummistiefeln werden immer von Lachmöwen verschleppt: Omm, Ommi“ - rundete den wunderbaren Abend im ausverkauften Kleinen Haus des „Rex“ und Erwin Grosche entließ eine Menge glücklicher Menschen mit einem gewissen Glanz in den Augen, der viel von dem widerspiegelte, was man eben nicht so leicht erklären kann.    
 
Frank Becker