Barry Miles - "Pink Floyd - Die frühen Jahre"

Kritisch gelesen

von Eugen Egner
Trotzdem lesenswert
 
Endlich ein Buch über das Thema „Pink Floyd und Syd Barrett“, dachte ich. Als einer, den nur dieses Kapitel der Pink Floyd-Bandgeschichte interessiert, habe ich mich begierig darauf gestürzt – und war schon bald verstimmt. Um es vorweg zu nehmen: Nie zuvor in meinem Leben ist mir ein Buch begegnet, das so von Tippfehlern wimmelte. Ich habe sie nicht genau gezählt, aber dieser Hannibal-Band enthält mindestens zwei Dutzend von jeder erdenklichen Sorte. U.v.a. wird an einer Stelle Robert Wyatt zu Robert Watt, John Wood heißt einmal John Woo, und es gibt Sätze wie „Ich ging legte dann immer bei maximaler Lautstärke eine Platte von Smokey Robinson auf.“ Eine andere Variante: Die Bildunterschrift auf Seite 196 lautet: „Noch einmal Pink Floyd mit Syd Barrett (…)“ – zu sehen sind aber Pink Floyd mit David Gilmour.
 
Die Übersetzung von Conny Lösch ist insgesamt passabel; angesichts der Honorare, die fürs Übersetzen gezahlt werden, kann niemand sprachliche Meisterwerke erwarten. An manchen Stellen hätten sich aber sicher störende Wortwiederholungen oder unglückliche Formulierungen vermeiden lassen wie etwa „Syd besaß eine Sammlung um das erste Album der Mothers Of Invention, Freak Out“ oder „Syd hat diese wilden, unglaublichen Entwürfe gezeichnet – und sie haben dann Pink Floyd daraus entworfen.“ Einer meiner (selbstverständlich mit einer Wortauslassung garnierten) Lieblingssätze ist: „Damals war es noch möglich, aufziehbare Spielzeugautos mit dem Mikrofon über die Bühne verfolgen“ (sic). Bei Texten mit fachspezifischen Inhalten ist es sinnvoll, Fachleute hinzuzuziehen, sonst kommt es zu wilden Blüten wie auf Seite 35, wo, nicht ohne obligaten Tippfehler (fehlender Buchstabe), über Syd Barretts E-Gitarre der Marke Futurama folgender Galimathias zu lesen steht: „Es handelte sich um eine preiswerte Kopie der Fender Stratocaster mit ihrer geschwungenen Form, dem kantigen Kopf und nicht zuletzt auch dem Verzerrer, was ein großes Repertoire mit Gitarrenposing ermöglich, auch wenn die Gitarre danach meist verstimmt war.“ Göttlich, Babel fish-würdig! Wie soll man auch etwas auf verständliche Weise übersetzen, das man selbst nicht versteht? Statt „Verzerrer“ ist offenbar „Vibratohebel“ bzw. „Tremoloarm“ gemeint. Aber wen interessiert das schon? Ärgerlich auch die mittlerweile allgemein üblich gewordene falsche Anwendung der Formulierung „nichts weniger als“ auf Seite 249. Die Falschanwender meinen, „nichts weniger als“ bedeute „nicht weniger als“ oder  „nichts Geringeres als“, doch das Gegenteil ist der Fall. Eine korrekte Benutzung wäre etwa: „Dieses Buch ist nichts weniger als gelungen.“ Feinheiten… Ein Lektorat scheint ebenso wenig stattgefunden zu haben wie ein Korrekturlesen, doch werden im Impressum für beide Ressorts erstaunlicherweise Verantwortliche genannt. Das müssen außergewöhnlich tolerante Menschen sein. 
 
Der Text selbst spannt sich von Vorgeschichte und Kindheit jedes der beteiligten Musiker über die tragische Syd Barrett-Phase bis einschließlich zum Album „Dark Side Of The Moon“, es geht also nicht nur um die frühen Jahre, sondern auch um die schon eher mittleren. Autor Barry Miles (Jahrgang 1943), der seinerzeit als Journalist den Werdegang der Gruppe seit ihrer frühen Londoner Zeit verfolgt hat, referiert den komplexen Stoff ziemlich rasant und unterhaltsam. Dabei beschönigt oder verklärt er nichts. In der Darstellung der musikalischen und menschlichen Fähigkeiten seiner Protagonisten ist er gerecht, leugnet weder deren Schwächen noch Stärken. Manchmal wirkt die insgesamt lesenswerte Biographie etwas gehetzt und in chronologischer Hinsicht ein wenig sprunghaft, was aber im Vergleich mit oben genannten Mißständen kaum stört. Wer über die vielen Flüchtigkeitsfehler hinwegsehen kann, erfährt eine große Menge interessanter Details, von denen ich hoffe, daß sie alle stimmen. Erfreulich auch die großzügige Bildausstattung (neben vielen großformatigen gibt es auch etliche winzige Photos). Einen Index indessen sucht man so vergebens wie eine Diskographie. Bei der zweiten Auflage muß unbedingt einiges besser werden.

Beispielbild

Barry Miles
Pink Floyd – Die frühen Jahre
Aus dem Englischen von Conny Lösch
 
© 2008 Hannibal-Verlag

272 Seiten, geb. mit Schutzumschlag, viele Fotos
€ 24,95
 
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