Papier ist geduldig

Erklärungen auf der Weltklima-Konferenz

von Lothar Leuschen​

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Papier ist geduldig
 
Erklärungen auf der Weltklima-Konferenz
 
Von Lothar Leuschen
 
Langsam wird es brenzlig auf dem blauen Planeten. Das wissen auch die etwa 70 000 Teilnehmer der Weltklima-Konferenz in Dubai. Nach einer Woche des Miteinander-Redens, des Debattierens, des Verbreitens von Absichtserklärungen und des sich gegenseitigen Beruhigens ist die Zwischenbilanz nicht nur ernüchternd, sie gibt auch Anlaß zu größter Sorge. Nach allem, was seriöse Wissenschaftler berechnet haben, ist die Atmosphäre auf dem Weg, ihre Temperatur um bis zu drei Grad Celsius zu erhöhen. Das hätte katastrophale Folgen, vor allem für die Küstenregionen, in der Folge aber auch für Inlandsgebiete.

Spätestens an dieser Stelle betritt auch Deutschland das Spielfeld. Denn ehe die Menschen in der südlichen Hemisphäre ertrinken, machen sie sich auf den Weg in den Norden. Abermillionen werden gezwungen, ihre Heimat zu verlassen. Die Flucht hat längst begonnen. Der Klimawandel kommt nicht, er ist schon da. Umso dramatischer ist, was sich in Dubai abspielt. Dort debattieren Staaten, die vom Öl leben, mit Staaten, die auf Kohle setzen, darüber, wie der Kohlendioxid-Ausstoß auf ein Maß reduziert werden kann, das die Erderwärmung wenigstens auf die Nähe von 1,5 Grad Celsius drückt. Wie groß das Interesse daran ist, heute schon Verzicht zu üben für ein Ziel, das erst übermorgen erreicht werden soll, liegt auf der Hand. Und in dieser Kakophonie der kaum ernst zu nehmenden Absichtserklärungen versucht dasselbe Deutschland sich zu einem Musterknaben des Klimaschutzes zu stilisieren – das selbst sämtliche Ziele verfehlt, die es sich bis zum Ende dieses Jahrzehnts gesetzt hat.

Es wird Zeit, sich ehrlich zu machen in Deutschland und dort, wo mit fossilen Energieträgern Milliarden und Milliarden von Dollars verdient werden. Für das Klima, für das Überleben von Hunderten von Millionen Menschen, braucht der Globus eine Rosskur. Er braucht Politiker, die den Mut haben, das auch zu sagen und daraus die Konsequenzen zu ziehen. Noch mehr hohle Absichtserklärungen sind hingegen überflüssig. Denn Papier ist geduldig, das Klima ist es anscheinend nicht.
 
 
Der Kommentar erschien am 7. Dezember in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.