Verbotenes Wissen

von Ernst Peter Fischer

Ernst Peter Fischer
Verbotenes Wissen
 
Wenn man den Medien und ihren Machern glaubt, dann werden die Daten der Rohstoff der Zukunft sein, wobei nicht immer ausführlich und explizit genug erwähnt wird, daß es sich um Daten von Menschen handelt, die dann als Daten in den Maschinen landen, die wiederum Menschen gerne mit sich herumtragen und an andere Maschinen weitergeben. Daten bleiben bei ihrer Verschiebung und Verarbeitung keine Daten, wie jeder wissen wird. Sie werden vielmehr erst zu Informationen, die jemand verstehen muß, um zuletzt das zu ergeben, was eigentlich zählt und gemeinhin Wissen heißt und das ist, wonach Menschen streben - von ihrer Natur aus oder von Anfang ihrer Geschichte an. Das heißt, wenn man mit dem Anfang der Geschichte das meint, was in der biblischen Erzählung in der Genesis zu finden ist, dann beginnt das Wissen mit dem Gegenteil, nämlich einem Verbot. Gott verbot den ersten Menschen zu wissen, was gut und böse ist, wobei sofort deutlich wird, was solche Verbote erreichen, nämlich nur das Gegenteil von dem, was beabsichtigt ist. Was verboten ist, das macht Menschen bekanntlich scharf, und deshalb braucht sich die katholische Kirche in diesen Tagen nicht zu wundern, daß jeder Versuch, das Wissen über die Ausmaße der sexuellen Verfehlungen in ihren Reihen zu unterdrücken, nur immer mehr Daten zu diesem Thema an die Öffentlichkeit bringen und die Menschen mit peinlichen Informationen über das versorgen wird, was sie längst wissen. Die Kirche hat sich überhaupt durch viele Versuche, Wissensverbote festzulegen, ausgezeichnet. So hat bereits der Apostel Paulus gemeint, man müsse nicht alles kennen, was am Himmel abläuft, und der Kirchenvater Augustinus hat ausdrücklich ein Neugierverbot gefordert. Er meinte, daß Menschen nicht alles Wissen haben sollten, was ihnen möglich ist und sie sich bei ihren Erkundigungen zügeln sollten. Soll man den christlich gläubigen Kirchenleuten deshalb zürnen? Mir scheint, man soll eher das Gegenteil tun und sich bei ihnen bedanken, daß sie an einigen Stellen Verbotsschilder für das Wissen aufstellen wollten. Damit haben sie die Menschen erst richtig neugierig gemacht und unter anderem dazu gebracht, die wissenschaftliche Methode zu entwickeln und immer bessere Instrumente zu bauen, um die alten Grenzen des Wissens immer wieder durch neue zu ersetzen. Die Menschen wissen deshalb so viel, weil es ihnen ein Gott verbieten wollte. Weiß er selbst das?   
 
© Ernst Peter Fischer

Wiedergabe in den Musenblättern aus „Wahrheit im Widerspruch“ mit freundlicher Erlaubnis des Autors.