Fernkontakte
Ich kann mein Auto aus großer Entfernung, obwohl ich weit weg von ihm stehe, verschließen. Klack. Der schwarze Schlüssel wird gedrückt und alle Türen, die mir was bedeuten gehen zu. Klack, Klack, Klack, Klack. Was macht man da Faszinierendes? Gibt es einen Begriff dafür, der dem Wunder gerecht wird? Fernzauber? Da kann ich in einem Raum sein, da kann ein Fenster zwischen meinem Auto und mir stehen, eine Tür oder sogar meine Schwiegermutter, die hinter mir herläuft. „Schau mal Mama, was ich kann.“ Klack Klack Klack Klack. Ich denke oft, wie weit wir Menschen doch gekommen sind um unsre Erde sinnvoll zu gestalten.
Ich kann mich noch an Zeiten erinnern, da war der Tankdeckel nicht mit dem Auto verbunden und man vergaß ihn auf der Zapfsäule oder ließ ihn auf dem Autodach liegen. Ich weiß noch, wie wir unsere Wege selbst finden mußten und die Pläne dazu so gefaltet waren, daß man sie nicht mehr zusammenlegen konnte, wenn sie sich einmal auf dem Beifahrersitz breit gemacht hatten, aufgeklappt und faltenvoll. Nun sind bessere Zeiten angebrochen. Nun kann ich auf dem Parkplatz stehen, hundert Meter von dem Fahrmobil entfernt und dort am Bratwurststand eine Bratwurst mümmeln und gleichzeitig die Wagentür meines Wagens verschließen mit einem einfachen Klack und mich danach ganz dem Senf widmen. Klack, Klack, Klack, Klack. Ich kann auch durch meine rechte Hosentasche hindurch, kein Scherz, der Schlüssel steckt dort zwischen Kleingeld und Haustürschlüssel gebunkert, kann ich durch meine rechte Hosentasche hindurch Klack mein Auto schließen. Da kann es gar nichts gegen machen. Ich kann den Schlüssel umwickeln mit einer Bildzeitung, einer Gartenzeitung oder einer Hundekackaufsammeltüte und trotzdem ginge die Tür zu. Klack. Und wenn ich 12 Autos hätte, dann könnte ich abends vor dem Schlafengehen mit 12 Fernbedienungen auf meinem Balkon stehen und Klack Klack Klack Klack alles abschließen, was nicht bei drei auf den Bäumen ist.
Einmal traf ich Ilona, in deren Gegenwart ich immer alles falsch mache, aber selbst mit ihr konnte ich, über ihren Rücken hinweg, beim Küssen, ohne zu schauen, blindlings, mein Auto zumachen und fühlte mich so erhaben und von Gott bevorzugt. Wie leicht das Leben sein kann, wenn man etwas auslöst und einfach drückt und das gleichzeitig: und sei es Ilona und die Fernbedienung. Einfach drücken und das gleichzeitig: die Fernbedienung und Ilona. Apropos, ich konnte mal aus ihrem Schrank heraus, kein Witz, ihr Ehemann war zu früh nach Haus gekommen, mein Fluchtauto öffnen, damit einem schnellen Abgang nichts im Wege stand. Das ist nicht wonach es aussieht. Ich denke manchmal, man kann auch beim Liebesspiel, warum nicht, man könnte dabei im Augenblick der größten Lust an andere und sei es an das Auto denken und dabei immer wieder es öffnen und schließen. Klack klack klack klack Immer wieder wie ein Herzschlag, es öffnen und schließen.
Ich habe jetzt gelesen, daß ein amerikanischer Raumfahrer, der saß schon in der Rakete, der hatte schon bis acht gezählt, war also kurz vor dem Start, daß der nochmal mit seiner Fernbedienung sein Auto auf dem Cap Canaveral Raketenparkplatz abgeschlossen hat, damit der Wagen nicht gestohlen wird, während er auf dem Mond nach dem Rechten sieht. Ich hörte sogar, daß er beim Betreten des Mondes seine Fernbedienung noch einmal gezückt hat und sagte: „Dies ist nur ein kleiner Klick für einen einzelnen aber ein großer für die ganze Menschheit“ und dann machte er wirklich Klick und alle unsere Herzen auf der Erde wurden verrammelt und verriegelt und keine Liebe herrschte mehr unter den Menschen“. Kann das sein? Klack Klack Klack Klack! Nein. Was man verschließen kann, kann man auch wieder entriegeln.
© Erwin Grosche
Erwin Grosches Web-Seite: www.erwingrosche.de
|