Wuppertaler Meinung und Dialog

Hauptsache, es geht

von Lothar Leuschen​

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Wuppertaler Meinung und Dialog
 
Hauptsache, es geht
 
Von Lothar Leuschen
 
Noch ein paar Jahre abgebaut – und die Pallas Athene wäre ganz vergessen gewesen. Ein Paradebeispiel für`s Aussitzen also. Aber so ist Wuppertal nicht. Das ist manchmal gut, manchmal quälend. Im Falle der Pallas Athene ist das noch unklar. Es hängt letztlich auch davon ab, welche Kunst dem Werk von Arno Breker beigegeben wird. Um den geht es nämlich, um Arno Breker, den Lieblingsbildhauer eines verrückten Österreichers, eines Anstifters zum Massenmord, eines Kriegstreibers, der mehr als 50 Millionen Menschen auf dem Gewissen hat. So viele bezahlten den Wahnsinn Hitlers und der Nazis im 2. Weltkrieg mit ihrem Leben. Es ist leider wieder viel wichtiger geworden, darauf hinzuweisen. Die Zahl der Relativierer, der Kleinredner, der Umdeuter wächst. Selbst im Wuppertaler Stadtrat soll es solche intellektuellen Tiefflieger geben. Deshalb ist die Auseinandersetzung mit Arno Breker wichtig, deshalb, aber nicht wegen der Pallas Athene. Das Werk zeigt eine Kriegerin. An ihr ist nichts Nationalsozialistisches, nichts von der peinlichen, unfreiwillig komischen Herrenmenschen-Anmutung, die Leni Riefenstahl auf Celluloid gebannt hat. Einfach eine Skulptur, deren Qualität Experten womöglich ganz anders bewerten als der zufällige Passant. Wahrscheinlich hätten die wenigsten gewußt, wer das Werk erschuf, noch weniger hätten mit Arno Breker etwas verbunden.
 
Umso besser ist es, sich mit dem Künstler zu beschäftigen. Breker war ohne Zweifel ein Günstling der Nationalsozialisten, er war mindestens Mitläufer, Sympathisant, vielleicht auch glühender Anhänger. Er war bildhauerischer Kopist von Industrie- und Nazigrößen – vielleicht aus Überzeugung, vielleicht des Geldes wegen, vielleicht wegen beidem. Deswegen ist es nicht nur wichtig, sondern womöglich auch interessant, sich mit dem Menschen Arno Breker zu beschäftigen. Was machte und macht den Nationalsozialismus so anziehend? Warum hat seine blutgetränkte Existenz nur 80 Jahre nach Kriegsende, nur 80 Jahre nach der Befreiung von Konzentrationslagern auf so bedrückend viele Menschen wieder einen Reiz? Und das nicht nur in Deutschland.
 
Die Pallas Athene stand viele Jahre unbehelligt und weitgehend unbemerkt auf dem Hof des Wilhelm-Dörpfeld-Gymnasiums. Das ist auch in Zukunft ein idealer Standort. Aber er ist es nur dann, wenn es nicht bei einem beigestellten, erklärenden Kunstwerk bleibt. Dafür hätte auch eine Plakette gereicht, die keine 250 000 Euro verschlingt, wie das ausgelobte Kunstwerk. Eine neue Plakette mit dem Hinweis, wer Breker war und warum Wuppertal kritisch über ihn diskutiert, wäre auch für vielleicht 2500 Euro zu haben gewesen.
Mit den restlichen 247 500 Euro hätte die Stadt Material anschaffen können, anhand dessen in allen weiterführenden Schulen über Nationalsozialismus und die neue Kunst der politischen Verführung hätte unterrichtet werden können. Zweckentfremdet wäre der Landeszuschuß damit sicher nicht.
 
Die kritische Begleitung der Pallas Athene von Arno Breker gehört nicht in Kunstateliers, sondern auf den Stundenplan ausdrücklich aller weiterführenden Schulen. Das wäre nicht nur im Wilhelm-Dörpfeld-Gymnasium der angemessene und zeitgemäße Umgang mit einem Kunstwerk, über das in Wuppertal schon viel zu lange und viel zu emotional diskutiert wird. Es ist Zeit, die Pallas Athene wieder aufzustellen, und es ist höchste Zeit, durch und von Arno Breker zu lernen, was demokratische Gesellschaften vernichten kann – früher und heute. Das hätte Wuppertal sich sehr viel leichter machen können als mit einem Künstlerwettbewerb. Aber warum einfach, wenn es auch kompliziert geht? Ach was. Hauptsache, es geht.
 
 
Der Kommentar erschien am 17. Februar in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.