4711 - Fisimatenten - Napoleon

Ein Buch des Landschaftsverbandes Rheinland erforscht die Spuren Frankreichs am Rhein

von Andreas Rehnolt
Von 4711, Fisimatenten, Napoleon
und dem Rheinland
 
Buch des Landschaftsverbandes Rheinland erforscht die Spuren Frankreichs am Rhein
 
Köln - Mit seiner jetzt erschienen Buch-Veröffentlichung "Frankreich am Rhein" geht der Landschaftsverband Rheinland der Frage nach, wie viel Frankreich tatsächlich am großen Rhein geblieben ist. Jürgen Wilhelm (Vorsitzender der Landschaftsversammlung Rheinland) und Kerstin Theis als Herausgeber zeigen die nachhaltigen Folgen der Epoche um 1800 für das Rheinland auf. Mit Beiträgen von insgesamt 15 Autorinnen und Autoren beleuchtet das Buch die Spuren der "Franzosenzeit" aus den unterschiedlichen Perspektiven.
 
Es geht um Recht und Sprache, Wirtschaft, Literatur, Kunst, Denkmäler, Verfassung, Karneval und natürlich um den Begriff des Eau de Cologne und 4711. Für die Bevölkerung im Rheinland bedeutete diese Zeit nicht nur eine militärische Besetzung, sondern auch zum Teil fundamentale Neuerungen in den Bereichen Gesellschaft, Verwaltung, Recht und Kirchenwesen. So erhielt das Rheinland durch die Franzosen ein einheitliches Staatsgebiet mit einer effizienten Verwaltung und einem klar geregelten Gerichtswesen nach französischem Vorbild. Das "Bürgerliche Gesetzbuch" umfaßt bis heute Artikel, die auf den "Code Civil" und das "Rheinische Recht" zurückgehen.
 
Napoleon und Frankreich begegnen den Menschen im Rheinland auch heute noch an vielen - oft ungeahnten - Orten: Zahlreiche Veteranen-Denkmäler auf Friedhöfen in der Region, etwa in Pulheim-Stommeln, erinnern an den französischen Kaiser. Bushaltestellen in Aachen und Parkanlagen in Düsseldorf heißen "Napoleonsberg". Wenn die Mitglieder des Aachener Stadtrats tagen, blickt ihnen Napoleon von einem übergroßen Portrait her dabei über die Schulter. Zweisprachige Straßenschilder geben Besuchern in der Domstadt Köln seit der "Franzosenzeit" Orientierung, wenn sie etwa die "Zeughausgasse / Rue de l'Arsenal" suchen.
 
Auch wenn Napoleon lediglich zu zwei Besuchen im Rheingebiet weilte - die Faszination an seiner Person und seinem Wirken sind bis heute ungebrochen, woran die literarischen Werke vor allem von Heinrich Heine und Karl Immermann wohl nicht ganz unschuldig sind, heißt es in dem Buch. In der Kölner Innenstadt erklingt wenige Meter von der Oper entfernt zu jeder vollen Stunde am 4711-Haus die Melodie der Marseillaise, begleitet von französischen Soldatenfiguren. Diese Szene nimmt Bezug auf die berühmte Legende des französischen Reiters, der im Jahr 1794 angeblich die Zahl 4711 als Numerierung an dem Haus in der Glockengasse anbrachte.
 Es ist einer der zahlreichen lieb gewonnen Mythen der Kölner, daß die Häusernumerierung auf die Franzosen zurückgeht. Tatsächlich war es jedoch der Rat der Stadt Köln selbst, der wenige Tage vor der Besetzung der Domstadt durch die französische Armee im Oktober des Jahres 1794 die Numerierung der Häuser in Köln beschloß. Bis heute nimmt die Marke "4711 - Echt Kölnisch Wasser" darauf Bezug und nutzt die Legende nach wie vor erfolgreich für ihre Werbung.
 
Viele französische Lehnwörter im rheinischen Dialekt werden der "Franzosenzeit" zugeschrieben - etwa "Klör"/"Kleur" für "Farbe" oder "Trottewar" für "Bürgersteig". Beide Begriffe stammen zwar ursprünglich aus dem Französischen, sind aber teils aus dem Niederländischen ins Rheinland gelangt oder stammen bereits aus der vornapoleonischen Zeit. Die berühmten "Fisimatenten" sind ebenfalls nicht direkt Napoleon und der "Franzosenzeit" zuzuschreiben, sondern in einer Vorläuferform erstmals schon in der Koelhoffschen Chronik von 1499 erwähnt und bedeuteten im 16. Jahrhundert ursprünglich "fisiment", also "bedeutungsloser Zierrat" (am Wappen). Die Legende, "Fisimatenten" sei auf die Lockrufe der französischen Soldaten an deutsche Frauen während der Besetzung des Rheingebiets zurückzuführen ("Visitez ma ténte" / "Besuchen Sie mein Zelt!"), haben die Rheinländer jedoch viel lieber gewonnen. 


Frankreich am Rhein.
Die Spuren der Franzosenzeit im Westen Deutschlands, herausgegeben von Kerstin Theis und Jürgen Wilhelm, 304 Seiten Leinen, mit 90 farbigen Abbildungen, 32,- €, ISBN 978-3-7743-0409-3.
Eine Veröffentlichung des Landschaftsverbandes Rheinland
Weitere Informationen unter: www.lvr.de