Hausgemachtes Problem
Lauterbach warnt vor Ärztemangel
Von Lothar Leuschen
Und noch ein Thema, das Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten verschlafen, verschleppt, vergessen hat. Und diesmal geht es nicht um Sanierung, Infrastruktur und Digitalisierung. Diesmal ist es eigentlich noch schlimmer. Es geht um Leib und Leben. Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat festgestellt, daß in Deutschland 50 000 Ärzte fehlen. Wer je versucht hat, sich einen Termin bei einem Fachmediziner zu beschaffen, der weiß das längst. In der Perspektive wird sich der Mangel aber als noch dramatischer erweisen. Auf dem Land ist die Versorgung mit Hausärzten vielerorts heute schon nicht mehr gewährleistet. In den Krankenhäusern schieben Frauen und Männer Überstunden vor sich her. Die Lage ist besorgniserregend, wenn ein zuständiger Minister derart die Alarmglocke läutet, dann scheint eine Katastrophe bevorzustehen.
Und woran liegt es? Es liegt, wie immer in Deutschland, am Geld. Nicht daß diese schwerreiche Nation davon nicht genügend hätte. Aber im Zuständigkeitsgerangel wird regelmäßig versäumt, mit den Finanzmitteln so umzugehen, daß die Ausgaben bestmöglichen Nutzen nach sich ziehen. Die Ärzteversorgung scheitert auf den ersten Blick am Föderalismus. Bildung ist Ländersache, und Mediziner müssen studieren, ehe sie auf die Menschheit losgelassen werden können. Das ist gut, und es ist teuer. Studienplätze kosten, und bisher weigerten sich die Länder beharrlich, die insgesamt 5000 zusätzlich nötigen Plätze einzurichten. Dafür kann kein Bundesgesundheitsminister etwas.
Auf den zweiten Blick gilt allerdings auch, daß eine Bundesregierung handeln muß, wenn sie einen derart eklatanten Mangel feststellt. Es hilft schließlich nicht, ein Problem über Jahre wortreich zu beschreiben. Irgendwann muß es auch gelöst werden. Wenn wieder einmal Föderalismus im Wege steht, dann muß eine Bundesregierung die Regie übernehmen - und sei es nur mit einem Einwanderungsgesetz, mit dem sich erfolgreich um Facharbeiter, also auch Mediziner, werben läßt.
Der Kommentar erschien am 16. April in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.
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