Als Österreich am Meer lag

Ein historisches Feuilleton

von Friederike Zelesko

Pula - Foto © Friederike Zelesko
Erzherzog Franz Ferdinand
 

Bibliotheken mit ihren nach Wachs riechenden Böden, abgesessenen Stühlen, Tischen aus dunklem Holz, auf denen grünen Leselampen stehen, sind Wesen, die in der Vergangenheit leben. So auch in Pula, in der alten Marinestadt, wo die Kapitäne des ehemaligen Habsburgerreichs von den getäfelten Wänden blicken.
 
Ich will ihm begegnen, dem Großvater, damals, 1910, Matrose auf dem Flaggschiff, dessen Kapitän Montecuccoli hieß, und das den Namen „Erzherzog Franz Ferdinand“ trug. Ich war erst elf als Großvater starb und erinnere mich nur, wie er mir einmal mit dem Stock drohte, schon alt und krank.
 
Schlachtschiffe, wie die Viribus Unitis, die unter dem Escadre Kommandanten Alexander Hansa fährt, sind ebenfalls Drohgebärden. Noch ist der Krieg in der Ferne und Österreich liegt am Meer. Die adelige Gesellschaft aus Wien kurt über die kalte Jahreszeit in Abbazia, schöne Villen werden am Meer gebaut und Jakob Ludwig Münz ist Konzessionär der liburnischen Straßenbahn, die bis Lovran fährt. Durch winzige Fischerorte mit Namen Ika und Icici, ins Lobeerland, ins sommerliche Kirschenland,  ins herbstliche Maronenland.
 
Warme, geröstete Maronen verkauft man bis heute zur Weihnachtszeit auf dem Naschmarkt, und auf den Plätzen von Wien. Wir Kinder bekamen damals nur warme Hände und wußten nichts vom Maronenland und dem Meer, das immer die Sehnsucht unseres Großvaters war.
 
Auf den Rang- und Einteilungslisten, in den Almanachen, die in den Marinebibliothek von Pula liegen, suche ich jetzt nach seinem Namen. Auch die Schiffe sind wie ein Vielvölkerstaat. Männer kamen von
 
Pula - Foto © Friederike Zelesko
überall her, das verrät der Klang ihrer Namen, dienten der Krone des Kaisers und wußten nicht, wie wehrlos er schon war, als seine Länder immer lauter nach Krieg schrieen.
 
In der Bibliothek von Pula hängt an der Wand ein Bild. Auf der S.M.S. Viribus Unitis kämpfen zwei Matrosen. Ein Ringkampf auf Deck zum Vergnügen.  Mit nacktem Oberkörper zeigen sie ihre Muskeln.
Heute liegt es auf Grund, das Schlachtschiff mit dem schönen Namen. Die Einheit, von der Franz Josef I. träumte, war nicht stark - sie sank am letzten Kriegstag mit Mann und Maus im Hafen von Pula, da war der Kaiser schon lange tot. Der ruhmreiche Krieg verloren, die Schiffe und Kronländer verteilt an die Sieger.


© Friedrike Zelesko - Erstveröffentlichung in den Musenblättern
2008

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Redaktion: Frank Becker