Könnte gehen!
Mel Brooks´ „Frankenstein junior“ in einer mitreißenden
Bühnenfassung des TiC-Theaters
… und treiben mit Entsetzen Scherz
(Friedrich Schiller, Die Glocke)
Inszenierung: Maria & Patrick Stanke – Musikalische Leitung: Stefan Hüfner – Choreographie: Eveline Gorter - Bühne: Jan Bauerdick & Benedikt Ogiolda – Kostüme: Sarah Prinz – Maske: Elke Quirmbach – Regieassistenz: Janina Guntermann - Choreographieassistenz: Morgana Ringer – Veranstaltungstechnik: Waltraut Rettig & Hans Herr
Mit (Besetzung der Premiere): Leon Gleser (Dr. Frederick Frankenstein) – Timon Strick (Igor) – Giulia D´Acquisto (Inga u.a.) – Tanisha Meis (Frau Blücher) – Lucy Martens (Elizabeth Benning) – Christina De Bruyckere-Monti (Inspektor Kemp) – Kai Dahlberg (Ludwig & Eremit) – Niklas Schier (Monster und Battram) – Michelle Ossowski (Dorfbewohner 1 u.a.) – Lara Erlach (Dorfbewohner 2)
Wer kennt nicht die Tragik des düster-romantischem Romans „Frankenstein“ und wenigstens eine der vielen Filmfassungen des dramatischen Stoffs. 1818, also vor mehr als 200 Jahren erstmals veröffentlicht erregte „Frankenstein oder Der moderne Prometheus“ großes Aufsehen und trug der damals erst 19 Jahre alten englischen Schriftstellerin Mary Shelley ewigen Ruhm und dem Buch ungezählte Auflagen in allen Weltsprachen ein. Seiner brisanten Thematik wegen ist es bis und gerade heute ein Bestseller mit immer aktueller werdendem Wissenschaftsbezug. Zahlreiche Verfilmungen, die leider allzu oft durch gewollten puren Grusel-Effekt an der wirklichen Botschaft des Romans vorbei gingen, haben ein oberflächliches Bild des ehrgeizigen Wissenschaftlers Viktor Frankenstein und seines Geschöpfs, des aus Leichenteilen künstlich erschaffenen, namenlosen Menschen (the creature) gezeichnet. Viktor Frankenstein, der aufstrebende junge Wissenschaftler arbeitete an der Universität von Ingolstadt wie besessen und ohne Skrupel daran, künstliches Leben zu erschaffen. Er vergaß über seiner Arbeit die erwartbaren dramatischen Folgen seines Experiments, das zwangsläufig in einer alle in einen Abgrund reißenden Tragödie enden mußte. Das gegen jede Vernunft und Ethik erschaffene Wesen entwickelte sich für Frankenstein zu genau dem schrecklichen Alptraum, in dem es selbst lebte. Soweit die Vorgeschichte.
Der amerikanische Filmregisseur Mel Brooks, für seinen skurrilen bis wagemutigen Humor bekannt, griff den Stoff auf, versetze ihn in die Neuzeit, kehrte ihn mit einer Parodie auf links, indem er den Grusel als Gag einsetzte und drehte 1974 seinen Kassenerfolg „Young Frankenstein“. Erst 33 Jahre später formte Brooks daraus ein Musical, das 2007 am Broadway aus der Taufe gehoben wurde. Das Wuppertaler TiC-Theater brachte seine mitreißende Fassung am vergangenen Freitagabend auf die Bühne seines „Studio“. Regie führte mit sicherer Hand Musical-Star Patrick Stanke (ein TiC-Gewächs) mit Frau Maria; für die musikalische Leitung zeichnete bewährt TiC-Co-Chef Stefan Hüfner, und Eveline Gorter sorgte für die sehenswerte, brillant einstudierte Choreographie.
Dr. Frederick Frankenstein, Enkel des Wahnsinnigen und Hirnspezialist (Premiere; wie stets brillant Leon Gleser) lebt jetzt in New York und bekommt von einem buckligen Boten (Premiere: genial und der heimliche Star des Abends, Timon Strick) die Nachricht vom Tod Viktors, dessen Erbe er in Transsylvanien (nicht Ingolstadt) antreten soll. Hier schon der erste Ausritt zu anderen Stoffen wie Bram Stokers Dracula, während Maske (Elke Quirmbach) und Kostüm (Sarah Prinz) durchweg an Charles Addams´ Addams Family erinnern. Frankenstein jun. macht sich also auf die Reise. Am Ziel agiert das klassische Frankenstein-Personal, kurvenreich im wohlgefüllten Dirndl ganz in Brooks´ Sinn amüsant ergänzt durch Assistentin Inga (Premiere: Giulia D´Acquisto) als Uschi Digard-Verschnitt – Russ Meyer läßt grüßen. Nicht zuletzt der Auslagen des üppigen Rauschgoldengels wegen tritt Frederick entgegen seiner Überzeugung in Opas Fußstapfen - und fängt im doppelten Sinn Feuer. Auch ein Eremit (Premiere: Kai Dahlberg) hat was von irgendwoher – könnte Brooks an Shakespeares Lorenzo gedacht haben? Wir wollen Frankensteins Kreatur natürlich nicht vergessen, die von Niklas Schier in der Premiere (alle Rollen sind alternativ besetzt) wuchtig und mit viel Humor umgesetzt wurde.
Gespickt mit gerne auch mal schlüpfrigen Pointen, derb erotischen Anspielungen, mit Seitenhieben, Gags und Zitaten (z.B. Louis de Funès´ unsterbliches „Nein! Doch! Oh!“) sowie mit einer Fülle von herrlichen Songs wie „Nicht Berühren“ (Lucy Martens schön zickig als Elizabeth Benning), „Unbekannt“ (Gleser / Strick), „Roll dich im Heu“ (D´Acquisto / Gleser), „Könnte gehn!“ (Ensemble), „Ganz unerwartet“ (Tanisha Meis als Frau Blücher), „Mein Herz weiß warum“ (D´Acquisto / Gleser mit frivoler Paar-Äquilibristik) und beachtlichen Choreographien geht der Abend (ca. zweieinhalb Stunden bester Unterhaltung mit einer Pause) wie im Fluge herum und hinterläßt Ohrwürmer und extrem gute Laune.
Das Glanzlicht und mehrfach wiederholt ist „Puttin´ on the Ritz“ von Irving Berlin aus dem gleichnamigen 1930er Film - eine schmissige, höchst wirksame Duo- (Gleser/Schier) und Ensemble-Nummer, die das Publikum unwiderstehlich mitnahm. Man hörte viele die Melodie beim Nachhausegehen summen.
Keine Sorge, es ist nur die Kohlsuppe!
(Frederick / Kreatur)
Ein rundum gelungener, schöner, ja köstlicher Abend, ein anarchischer Spaß mit multiplem Happy-End, herausragenden Stimmen, inspiriert gespielt, getanzt und gesungen – ein großer Erfolg für das Cronenberger Theater und vom Publikum enthusiastisch gefeiert.
Weitere Informationen, Termine und Eintrittskarten: www.tic-theater.de
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