Die Bänke von Herrn Alfermann

von Erwin Grosche

Herrn Alfermanns Himmelsbank - Foto © Frank Becker


Die Bänke von Herrn Alfermann
 
Herr Alfermann
 
Alle wollten auf der Bank sitzen, auf der Herr Alfermann saß. Das ging aber nicht, da saß doch schon Herr Alfermann. Als Herr Alfermann die Bank verlassen hatte, reizte es niemanden mehr sich dorthin zu setzen. Es war Herr Alfermann, der das Sitzen darauf so unwiderstehlich gemacht hatte.
 
Herr Alfermann hat Lieblingsbänke.
 
1. „Meine ViertelnachZwölf-Bank besuche ich immer um viertel nach Zwölf“, schwärmte Herr Alfermann. „Da wissen alle, daß sie Platz machen müssen, weil ich um viertel nach Zwölf komme und die Bank für mich brauche.“ Er seufzte. „Wenn ich mich ausbreite ist da kein Platz mehr für andere. Ich brauche die Sitzfläche für meine Butterbrote, den Kaffee und meine Zeitung.“
2. Meine zweite Lieblingsbank steht vor der Sparkasse. „Da steht eine Bank vor der Bank“, erzählte mir Herr Alfermann. „Wer denkt nicht gleich an einen Banküberfall? Wie albern wir Bankbenutzer sein können.“ Er putzte mit einem Taschentuch über die Sitzfläche der Bank. „Ich sitze hier gerne und zähle die Menschen, die in die Bank rein und raus gehen. Manche weinen, wenn sie die Bank verlassen, andere machen einen Luftsprung.“
3. „Beliebt ist meine Bank mit dem Blick auf eine andere Bank. Da sitzt man am Waldessrand auf einer Bank und kann auf die andere Bank schauen, auf der sich Menschen hinsetzen, die sich gerne beobachten lassen“, sagte Herr Alfermann.
4. „Die ungenutzteste Bank der Stadt wurde an einer stark befahrenen Kreuzung aufgestellt“, erzählte Herr Alfermann. „Da ist es so laut, daß sich dort niemand aufhalten möchte.“  Einmal kam ein Clown vorbei und machte Quatsch. Da fuhren die Autos bei Rot über die Ampel und hupten die Vögel von den Bäumen fort.
5. Es gibt Bänke, die wurden von Künstlern gestaltet, und wenn man sich drauf setzt, sieht man das nicht mehr.
6. Herr Alfermann liebte seine Himmelsbank. „Das ist meine Himmelsbank“, erzählte mir Herr Alfermann. „Da sitze ich manchmal und schaue in den Himmel. Die Wolken ziehen vorbei, die Sonne strahlt und manchmal läßt Gott sich sehen und pfeift ein Lied.“
 
 
© Erwin Grosche
 
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