Hupkonzert

von Erwin Grosche

Foto © Lutz Stallknecht / pixelio.de

Hupkonzert
 
Stellen sie sich vor, sie sind mit ihrer Liebsten auf dem Rummel und sitzen in einem Autoscooter und hupen alle an, die ihnen in die Quere kommen. „Platz da, Platz da lassen sie uns vor, wir sind verliebt und haben wenig Zeit.“ Und dann fahren sie mit ihrer Liebsten immer im Kreis, weil die Liebe kein Ziel kennt und alles ewig weitergehen könnte, wenn sie nicht gestoppt werden würden durch das Auslaufen der Fahrzeit. „Eine neue Fahrt, ein neues Glück. Nehmen sie Platz, die Fahrt geht gleich weiter.“ Können sie sich daran erinnern, wie sie in der Coronazeit ihren Star auf der Bühne sahen und dabei in einem Auto saßen? Können sie sich daran erinnern, wie sie ihren Beifall und ihre Begeisterung durch Hupen angezeigt haben? „Hup Hup, wir finden dich toll. Hup Hup, das ist großartig was du machst.“ Ich kenne viele Künstler, die sich heut noch beim Hupen auf der Straße strahlend verneigen. Stellen sie sich vor, sie liegen mit ihrer Liebsten auf den Gleisen eines Hauptbahnhofs und sie wollen ihrer beiden Leben ein Ende bereiten, weil sie nicht bereit sind ihr Glück schwinden zu sehen. Weil sie nicht bereit sind den drohenden Verlust ihrer Zuneigung zu akzeptieren. Sie wollen den göttlichen Augenblick der Liebe für alle Zeiten konservieren und sich dafür opfern wie Heinrich von Kleist und Henriette Vogel. Wenn sie dann der Zugfahrer in seinem Zug durch sein Signalhorn daran erinnert, daß das Glück des einzelnen nicht die Verspätung von vielen rechtfertigt, bewegen sie ihren Arsch von den Gleisen und akzeptieren sie nicht nur das Vergehen des Augenblicks, sondern genießen ihn sogar. Stellen sie sich vor daß sie am einem x-beliebigen Tag ihrer Frau sagen: „Komm Schatz, erneuern wir unsere Liebesschwüre in aller Öffentlichkeit. Laß uns vor Glück hupend durch die Stadt fahren, laß uns allen zeigen, daß wir verliebt sind und diese Liebe weiter geben wollen.“ Und dann fahren sie mit ihrem Schatz durch ihre Siedlung und hupen und hupen, bis alle auf den Bürgersteig gekommen sind und ihnen und ihrer ewigen Liebe zuwinken. 
 
© Erwin Grosche