Süßer Vogel Jugend

Hellmuth Karasek feiert heute seinen 75. Geburtstag

von Frank Becker

Foto © Frank Becker
Die belagerte Festung


Wir kennen die Vanitas-Auseinandersetzungen des Barock mit dem Lebensalter und der Vergänglichkeit, Hermann Hesses lyrisches Ringen gegen die seelischen Auswirkungen des Alterns bewegt tief, und Joachim Ringelnatz´ berührend klare Erkenntnis in "Alter Mann spricht junges Mädchen an" konfrontiert schmerzlich mit einer Realität die jedem von uns eines Tages begegnet:

"Guten Tag! – Wie du dich bemühst, / Keine Antwort auszusprechen. / „Guten Tag“ in die Luft gegrüßt, / Ist das wohl ein Sittlichkeitsverbrechen?  // Jage mich nicht fort. / Ich will dich nicht verjagen. / Nun werde ich jedes weitere Wort / Zu meinem Spazierstock sagen: // Sprich mich nicht an und sieh mich nicht, / Du Schlankes. / Ich hatte auch einmal ein so blankes, / Junges Gesicht // Wie viele hatten, / Was du noch hast. / Schenke mir nur deinen Schatten / Für eine kurze Rast."

In seiner 2006 erstmals erschienenen Essay-Sammlung "Süßer Vogel Jugend oder Der Abend wirft
längere Schatten"
packt Hellmuth Karasek, eloquenter Journalist und Kolumnist,
eleganter Plauderer und erfolgreicher Roman-Autor eben dieses mit den sich summierenden Jahren auch für ihn immer heißer werdende Eisen an.
Und noch einmal zitieren wir - George Bernard Shaw: "Youth is such a wonderful thing. What a crime to waste it on children." Dr. Erika Fuchs, die geniale deutsche Stimme Entenhausens hat dieses Zitat Donald Duck, gezeichnet von Carl Barks, in den Schnabel gelegt: "Jugend ist etwas Wundervolles. Es ist eine wahre Schande, daß man sie an Kinder vergeudet." Wie wahr! So bleiben dem "alten Knast" (O-Ton Prolog in "Die Feuerzangenbowle") das Erinnern, die Reflexion, die stille Ironie, der leise Spott. Helmuth Karasek besorgt das für uns in literarischer Tradition mit seinem wundervollen Buch, in dem er William Shakespeare und Johann Nestroy, Karl Valentin und Calderon, Billy Wilder und Woody Allen, den Talmud und seine Frau zu Wort kommen läßt.

Der belesene Flaneur und gewandte Erzähler zeigt sich dabei wieder einmal den Großen seines
Genres ebenbürtig, ich spreche von der hohen Wiener Schule eines Anton Kuh, Alfred Polgar, Egon Friedell oder Peter Altenberg. Schließlich hat der 1934 im zwar nicht mehr k.u.k., aber immerhin tschechischen Brünn (Brno) geborene, später zum Dr. phil. promovierte Germanist auch einen Teil seiner Jugend in Wien erlebt. Das wirkt nach. Seine Essays, die lebensklug und beinahe altersweise einen weiten Bogen über seine eigene Lebensgeschichte und -erfahrung, die Literatur, das Theater, die Malerei, den Film und die Furcht vor Siechtum und Tod spannen, lesen sich unterhaltsam, sollen ja unterhalten. Die bittersüße Wehmut, die in Erinnerung und Erkenntnis schwingt, tut dem Lächeln, ja dem Lachen dabei keinen Abbruch. Denn Hellmuth Karasek ist von heiterer Wesensart - er vermittelt sie von Zeile zu Zeile und schenkt im Aufbegehren gegen das Unvermeidliche Mut. Und es ist keineswegs "nur Lektüre für Männer im fortgeschrittenen Alter" - wenn auch von diesen vielleicht am besten verstanden. Das Publikum bei seinen stets überfüllten Lesungen belegt das allgemeine Interesse, das seinen köstlichen, ja kostbaren Texten entgegengebracht wird.


Heute wird Hellmuth Karasek 75 Jahre alt. Ungebrochen. Die Musenblätter gratulieren - der Autor verneigt sich vor einem liebenswerten Menschen.


Hellmuth Karasek: Süßer Vogel Jugend oder Der Abend wirft längere Schatten
© 2006 Hoffmann und Campe, 271 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag,
18.95 €,
ISBN 3455400167

Weitere Informationen über Hellmuth Karasek und seine Bücher unter:
www.hoca.de,  www.ullstein.de, www.kiwi-verlag.de, www.rowohlt.de