Berta Fischer und Eduardo Paolozzi

Eine kontrastreiche Doppelausstellung im Skulpturenpark Waldfrieden

von Frank Becker

Eduardo Paolozzi, Seagull and Fish, 1946 - Foto © Frank Becker

Berta Fischer und Eduardo Paolozzi
 
Eine kontrastreiche Doppelausstellung im Skulpturenpark Waldfrieden
 
Gegensätzlicher können künstlerische Standpunkte wohl kaum sein, als die der beiden Ausnahmekünstler Berta Fischer (*1973) und Sir Eduardo Paolozzi (1924-2005), die sich bis zum 1. Januar 2025 die Ausstellungs-Pavillons des Wuppertaler Skulpturenparks Waldfrieden teilen. Umso spannender ist zwischen luftig-leicht und radikal schwer der kontrastreiche Besuch der von Skulpturenpark-Gründer Tony Cragg mit viel Gefühl und spürbarer Begeisterung zusammengebrachten Doppelausstellung.
 
Brutalismus
 
Anläßlich des hundertsten Geburtstags von Eduardo Paolozzi, der am 7. März 2024 war,   präsentiert der Skulpturenpark Waldfrieden mit Unterstützung der Paolozzi Foundation eine Werkschau, die neben Skulpturen aus verschiedenen Schaffensperioden auch einen Querschnitt des grafischen Oeuvres präsentiert. Schon in jungen Jahren betrat der Schotte, der sich in Paris und London künstlerisch bildete, die Kunstszene mit aufsehenerregenden Graphiken und Papierarbeiten. Mit seinen frühen Collagen, die Elemente von Werbung, Comic und Zeitschriften-Ausschnitte verarbeiteten, war er der Entwicklung der Pop Art um gut 15 Jahre voraus, seine kleinen graphischen Arbeiten 1970 (Fotogravuren) lassen in ihrer Mensch-Maschine-Robotik den späteren Giger ahnen - seine verfremdeten Kopf-Skulpturen zeigen eine starke Nähe zu Francis Bacon. Beeindruckende Beispiele werden in der unteren Ausstellungshalle des Parks gezeigt, dazu auch eine der frühesten Skulpturen Paolozzis „Seagull and Fish“ (1946), ein Arbeit in Zement.
 

Eduardo Paolozzi, Collagen, 1964 - Foto © Frank Becker


Eduardo Paolozzi, Bronze Table, 1974 - Foto © Frank Becker

 
Eduardo Paolozzi, Kalasan, 1974-74 - Foto © Frank Becker

Paolozzi, der nach zeitgenössischen Beschreibungen wie nach den persönlichen Eindrücken Tony Craggs ein eher stiller, liebenswürdiger Mann war, wandte sich bereits in den Fünfziger Jahren in seinen wuchtigen, großen Metallarbeiten dem Brutalismus mit surrealistischen Zügen zu, von denen neun in der mittleren Halle zu sehen sind. Vor der Halle empfängt „Kalasan“ den Besucher, drin treffen wir auf u.a. „Girot“, „The Frog turning into a House“ und „The World divides into Facts“. Wir sehen zwischen 1957 und 1980 entstandene archaische skulpturale Werke überwiegend aus Aluminium, aber auch aus Bronze, darunter das Schlüsselwerk „St. Sebastian IV“ aus dem Jahr 1957.Kurator Dr. Jon Wood, der beide Hallen gestaltet und die ausgestellten Werke zusammengebracht hat, gilt als die Koryphäe zum Werk Eduardo Paolozzis.
 

Eduardo Paolozzi, St. Sebastian IV, 1957 - Foto © Frank Becker

Gemeinsam mit Tony Cragg hat er zur Ausstellung ein wie die Metallarbeiten gewaltiges  neues Buch über Leben und Werk Paolozzis geschrieben (nicht sein erstes), das im Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln erscheint.
 
Ein Hauch
 
Dann der komplette optische und sinnliche Gegensatz: in der oberen Ausstellungshalle auf der Anhöhe des Skulpturenparks belohnen vier ausgewählte Werke Berta Fischers den Besucher für den steilen Aufstieg. Von überwältigender Schönheit, ja Fröhlichkeit beherrscht „Tiangaliron“ (2024) die hohe lichtdurchflutete Glaskonstruktion. Etwas über Kopfhöhe beherrscht das aus 48 zart farbigen Acryl-Elementen bestehende und an dünnen Stahlseilen aufgehängte Objekt wie schwebend und trotz seiner Größe leicht wie ein Schmetterling, wie der zarte Hauch einer Schönwetterwolke den Raum. Es vermittelt Heiterkeit, schenkt ein tiefes Glücksgefühl und unterstreicht wie die kleineren Objekte „Atysarim“ und „Izarido“ die wichtige Erkenntnis, daß Kunst keine Aussage oder tiefere Bedeutung haben muß, außer schön und von hoher Ästhetik zu sein. Fünf ganze Tage hat der Aufbau von „Tiangaliron“ gedauert – und wird nach dem Ende der Ausstellung dem Abbau nie wieder genau so zu sehen sein, weil sich bei der nächsten Hängung die jetzige Anordnung nicht wiederherstellen läßt.


Berta Fischer, Tiangaliron 2024 - Foto © Frank Becker

 
Berta Fischer unter Tiangaliron 2024 - Foto © Frank Becker

Berta Fischer gebührt für diese wirklich hinreißende ca. 8 m x 4 m große Skulptur unser Prädikat, der Musenkuß! Ein Besuch ist jedem, der einmal wieder lächeln möchte dringend zu empfehlen.
 

Berta Fischer, Atysarim 2024 - Foto © Frank Becker

 
Skulpturenpark Waldfrieden
Hirschstraße 12
42285 Wuppertal