Botschaften

Rainer Rebscher – „Neue Boote für die hellen Tage“

von Frank Becker

Botschaften
 
Lyrik zum Genießen
 
 
Winterorange
Schalen tauchen
Den blassen Atem
tief ein in den
Duft des Sommers
 
Unlängst durfte ich Ihnen an dieser Stelle den Band „Im Schwarzerlenwasser atmet die Zeit“ von Rainer Rebscher vorstellen, dessen herrliche Lyrik mir bis dahin entgangen war. Weil die Lektüre eine besonders bereichernde Entdeckung war, stelle ich Ihnen mit ebenso großem Vergnügen jetzt eine weitere Sammlung Rainer Rebschers, ebenfalls aus der Reihe Poesie 21 vor: „Neue Boote für die hellen Tage“ – und bin wiederum begeistert.
Wo findet man im Gestrüpp unangemessener Lyrik-Versuche zahlloser untalentierter Hobby-Dichter und sogar in der bemüht „modernen“ Lyrik arrivierter Schriftsteller in aufgelösten Formen heute noch Gedichte, denen man mit reinem Herzen diese Bezeichnung zumessen kann? Es ist schwer. Hier aber trifft das Wort das Genre.
 
Rainer Rebscher sendet in erfrischend klarer Sprache Botschaften zur reflektierten Zeitgeschichte, übt Gesellschaftskritik, läßt an berührenden Selbstbetrachtungen, stillen Beobachtungen der Welt um ihn herum teilnehmen und erlaubt dem Leser einen Blick auf zärtliche Betrachtungen zu tun. Und dann merkt man plötzlich, daß er diese ganz privaten, persönlichen Reflexionen so stimmig in Worte und Verse geformt hat, daß man das eigene Weltbild, die Sehnsüchte, den Ärger, das Ungewisse, Ängste, das kleine Glück, ja sich selbst darin findet. Mit Humor schildert er Alltagsbegebenheiten, mit gemessenem Ernst und doch oft zugleich einem Augenzwinkern legt er den Finger in Wunden, die das Leben schlägt. Er ist aus tiefster Seele Humanist und Philanthrop, ein Menschenkenner, der verstanden hat.
 
So eine
 
Sie ist eine, die
Regenwürmer vom Weg aufhebt
und in der Wiese absetzt.
 
Sie ist eine, die
Käfer auf ein Blatt laufen lässt
und zum Gebüsch bringt.
 
Sie ist eine, die
Schnecken aus dem Sand klaubt
und ins Gras speditiert.
 
Sie ist eine, die
Plastikbecher aufsammelt
und zum Mülleimer trägt.
 
So eine ist sie –
von einem ganz
anderen Stern.
 
 
Rainer Rebschers Sprache ist da von ergreifendem Ernst, wo es das Bild erfordert (z.B. in „Nachkriegsfoto Leipzig 1945“), von liebevoller stiller Heiterkeit (z.B. in „Alte Liebe“), mal leise melancholisch (z.B. in „Alt“ oder „In einer kleinen Bäckerei“) oder von knapper Ironie wie in „Highland Games oder „Scanner“. Nie fehlt die Poesie, die gute Lyrik ausmacht, nie fehlt die Menschlichkeit. Das Buch ist unbedingt lesenswert und für seine 12,80 € ein ungemein preiswertes Vergnügen. Von den Musenblättern wie „Im Schwarzerlenwasser atmet die Zeit“ empfohlen.
 
Rainer Rebscher – „Neue Boote für die hellen Tage“
A. G. Leitner (Hg.) - Mit 12 Illustrationen von Elisabeth Süß-Schwend
© 2020 Rainer Rebscher / Verlag Steinmeier, Deiningen, 124 Seiten, Broschur – ISBN: 978-3-943599-73-2
12,80 €