Lebensstürme

Silver-Garburg Piano Duo - Schubert

von Johannes Vesper

Bildunterschrift
Lebensstürme
 
Das Silver- Garburg Schubert Piano Duo
mit Werken aus seinem letzten Lebensjahr 1828
 
Wir wollen unsere Zuhörer emotional bewegen und sie zum Kern der Musik bringen“ liest man auf der Webseite des israelischen Klavierduos, welches zur Weltspitze gehört, von der Carnegie Hall bis nach Südaustralien spielt, und mit dem gemeinsamen Sohn in Berlin lebt. Berlin scheint sich zu einer Welthauptstadt des Klaviers zu entwickeln. Barenboim, Gerstein, Levit, Grau/Schumacher und… viele leben an der Spree. Jetzt aber zu Franz Schuberts (1997-1828) Vierhändigkeit. In der berühmten Fantasie f-Moll op. 103, D960, scheint musikalisch auf, was den Menschen im Innersten bewegt. Melancholie, Nachdenklichkeit, Schmerz tönen aus diesem vierhändigen Lied ohne Worte, wobei die anderen Werke aus dieser Zeit („Winterreise“, die drei letzten Klaviersonaten, das Streichquintett) diese elegischen, aber durchaus auch wechselnden Stimmungen noch tiefer zu spiegeln scheinen, im Kern der letzten Liedern aus der Winterreise bis hin zur Trostlosigkeit. Daß Franz Schubert nach alledem kurz vor seinem Tod noch Kompositionsunterricht genommen und immerhin auch eine Stunde erhalten hat (bei Simon Sechter, der später Anton Bruckner unterrichtet hat), um sich im Kontrapunkt zu verbessern, mag man da gar nicht glauben. In der liedhaften Fantasie wechselt die Tonart wie die Stimmung immer wieder zwischen Dur und Moll und im Rondo op. 107, dem wohl letzten Klavierwerk Schuberts überhaupt, reihen sich Themen und Motive in spielerischer Leichtigkeit, können in sanfter Heiterkeit kaum ein Ende finden.
 
Im Klavierspiel von „prägt sich die innige Verbindung des Duos zum Schubertschen Wesen deutlich und nachvollziehbar aus, was in dem sehr persönlich gehaltenen Beiheft zu den beiden CDs noch bekräftigt wird. Zusammen mit seinem Freund Franz Lachner hatte der Franz im Mai 1828 in dessen Gartenhaus die f-Moll Fantasie vor Freunden uraufgeführt. Eine eigene Wohnung hatte er nicht, starb in der Wohnung seines Bruders. Als Komponist von rund 700 Liedern war er in Wien und bei seinen Freunden geschätzt. An eine Konzertkarriere war aber nie zu denken. Sein einziger öffentlicher Konzertabend hatte im März 1828 stattgefunden mit mäßigem Erfolg. Er lebte nahezu in prekären Verhältnissen. Daß seine Musik, inzwischen Englisch betitelt, eines Tages weltweit aufgeführt und verkauft werden würde, konnte er damals nicht ahnen.
 
Nur kurze Zeit später entstand op. posth. 144 D V 947, ein Allegro in a- Moll welches von Diabellli unter dem Namen „Lebensstürme“ nach Schuberts Tod publiziert wurde. Robert Schumann hatte bezüglich Schubert zuvor schon von vierhändigen Gewitterstürmen geschrieben. Akkordische, punktierte Fanfaren im Wechsel mit leisen 16tel-Girlanden, einem eingeschobenem Choralthema, stürmen von Generalpause zu Generalpause bis zum Ende.
Die e- Moll Fuge D952 entstand auf der Reise mit Franz Lachner nach Heiligenkreuz, wo sie die berühmte Orgel ansehen wollten. Auf Vorschlag von Franz komponierten die beiden Freunde eine Fuge für vier Hände und vier Füße (?) auf der Orgel, die sie sie zusammen am nächsten Tage dort spielten. Anton Diabelli hat das Stück später für Klavier zu vier Händen publiziert. Alle Werke auf CD 1 stammen aus dem Todesjahr 1828.
Die Sonate C-Dur op. posthum. 140 D 912 (CD 2) hatte Schubert komponiert, als er im Sommer 1824 wie schon 1818 einige Wochen die beiden Töchter des Grafen Esterhazy auf Schloß Zseliz (heute slowakisch, bis 1918 ungarisch) unterrichtete. Mit einer Dauer von rund 44 Minuten wurde das längste Werk des Albums von Diabelli zu Recht als Grand Duo bezeichnet.
 
Subtil, differenziert, elegant und leicht präsentieren Silver-Garburg diese Kostbarkeiten vierhändischer Klaviermusik, die ja erst von

Grabmal Schuberts in Wien - Foto © Johannes Vesper
Mozart in die Musikgeschichte eingeführt worden ist. Zuletzt sind die As-Dur- Variationen Op. 35 D813 zu hören, in denen eine Nähe Schuberts zu Beethoven und seiner 7. Sinfonie zu spüren ist, die sich nach dem Tode beider sogar örtlich manifestiert, wurden sie doch nebeneinander auf dem alten Währinger Friedhof beerdigt und erhielten nach Exhumierungen (1863 und 1888) und erneuter Beisetzung auf dem Zentralfriedhof nebeneinander ihre Ehrengräber. So finden sich auf diesen CDs die großen vierhändigen Klavierwerke Franz Schuberts, der insgesamt 54, davon 32 mit Opuszahl, hinterlassen hat. Alle diese (darunter weitere Fantasien, Tänze, Märsche, Variationen) belebten den musikalischen Freundeszirkel des Komponisten, in welchem man sich immer wieder zum gemeinsamen Musizieren getroffen hat. Der heutige Musikkonsument braucht sozusagen als passiver Musikliebhaber dagegen nicht mehr selbst tätig zu werden, kann aber dank solch hervorragender Aufnahmen vielleicht virtuell Mäuschen spielen bei Franz Schubert, seinen Freunden und seinen Schülerinnen. Auch ein großes Vergnügen.
 
Silver-Garburg Piano Duo - Schubert
© 2024 Radio Bremen / Edel Music / Berlin Classics (2 CD DDD), Erscheinungsdatum 2.8.24

Sivan Silver / Gil Garburg (p)
 
CD 1: 1 Fantasy in F Minor Op.103, D 940 (00:20:52) 2 Fugue in E Minor Op. Posth. 152, D952 (04:29), 3 Duo („Lebensstürme“) in A Minor Op. posth. 144, D 947 (12.09), 4 Rondo in A Minor Op. 107 D 951 (12:03.
CD 2: Sonata („Grand Duo“) in C-Major, Op. posth. 140, D812 1-4 Allegro moderato (15:58) - Andante (11:01) - Scherzo Allegro vivace -Trio - Allegro (05:44) Vivace (12:06). Variations Sur un Thème Original in A flat major (op.35, D 813 (5. Allegretto 1:52, 6. Var. I 1:29, 7. Var. 2 1:18, 8. Var. III Un poco piu lento 02:12, 9. Var. IV Tempo I 01:18, 10. Var. V 2:47, 11 Var. VI Maestoso 01:44, 12: Var, VII Piu lento 3:35, 13 Allegro moderato 3:56
 
uVP. 27,99 €
 
Weitere Informationen: www.berlin-classics-music.com/