Wuppertaler Musiksommer 2024
Eröffnungskonzert im Großen Saal der Historischen Stadthalle
auf dem Johannesberg
Von Johannes Vesper
Zum 13. Mal finden diese sommerlichen Meisterkurse in Wuppertal statt. In diesem Jahr kamen 71 fortgeschrittene Musikstudenten aus aller Welt, um mit den renommierten und international bekannten Dozenten und Dozentinnen der Wuppertaler Musikhochschule ihr Repertoire zu erweitern. In der kommenden Woche wird täglich Einzelunterricht erteilt, in diesem Jahr vor allem für Klarinette, Oboe und Gesang (Liedgestaltung) Und wie in jedem Jahr stellten sich zu Beginn der Kurse die Dozenten in einem Konzert der Öffentlichkeit vor.
Mit der Lisztschen Bearbeitung für Klavier aus dem Jahre 1839/40 von Johann Sebastian Bachs Präludium und Fuge a-Moll BWV 543 (ursprünglich für Orgel) eröffnete Florence Millet dieses Konzert (18.08.24 18:00 Uhr). Die Bachsche Klarheit des Satzes wird bald vom romantischen Franz Liszt (1811-18886) hin zum tiefen Orgelpunkt aufgelöst und verwirrt. In der komplexen Fuge mit Nebenthemen verbinden sich Akkorde mit dichter polyphoner Thematik zu einer Komplexität, die eigentlich nur als „Bach im Quadrat“ beschrieben werden kann. Das ist pianistisch eindrucksvoll wie heikel, wurde aber mit Bravour und Konsequenz von Frau Millet vorgetragen. „Toward the Sea“ für Altblockflöte und Gitarre des japanischen Komponisten Toru Takemitsu (1930-1996, Mitglied der Akademie der Künste der DDR, Ehrenmitglied der American Academy of Arts and Letters), wurde von Dirk Peppel (Querflöte) und Gerhard Reichenbach (Gitarre) subtil gestaltet. Die Flöte erklingt hier vorwiegend in mittlerer bis tiefer Lage (Alt!), wurde selten technisch gefordert, bot aber großen Klang. Im 2. Satz (betitelt Moby Dick) fiel, ungewöhnlich für einen Wal, der Dreiertakt auf, ohne musikalisch-emotionale Drohgebärde. Ein Höhepunkt des Abends war die Gegenüberstellung des Liederkreises von (Robert Schumann (1810-1856) aus dem Jahre 1840 nach Gedichten von Joseph Freiherr von Eichendorff und vier Bagatellen für Sopran und Klavier von Heinz Holliger (*1939). Dorothea Brandt (Sopran) wurde begleitet von Tanja Tismar (Klavier). Bei Schumann und Eichendorff geht es um Heimat, Glück, Liebe, sternklare Nacht, tote Eltern und um die Seele, die in der „Mondnacht“ zwischen Himmel und Erde durch die stillen Lande nach Hause fliegt. Existentielle Romantik! Mit atmender Sensibilität, Subtilität und klarer, emotionaler Stimme ergriffen die Musikerinnen die zerrissenen Herzen im Saal. Damit kontrastierten die „Dörflichen Motive“ von Heinz Holliger, die eher derb und handfest daherkommen, wenn es um den Berg mit rotem Bart geht, und das Heimchen hüpft. Bei „Die Hand im Gras“ wirkt die Musik mit riesigen Intervallen wie in „Ganz plötzlich“ am Ende wirklich komisch. Ungeachtet dessen hat sich der Verfasser dieser kurzen Gedichte, der Schweizer Dichter und Schriftsteller Alexander Xaver Gwerder (1923-1952) in Arles auf den Spuren van Goghs umgebracht. Das Concertino von Ernest Bloch (1880-1859) für Flöte Klarinette und Klavier (Dirk Peppel, Michael Schmidt, Junko Shioda) endete nach hervorragendem Zusammenspiel zuletzt in einem folkloristischen Allegro, welches mit geschwinden, ständigen Stakkato-Triolen an Holzbläser im Hühnerhof denken ließ und das Publikum schmunzeln ließ.
Nach der Pause spielte Florence Millet das Requiem von Gabriel Faure (1845-1924) in der Bearbeitung (1999) für Klavier Solo von Emile Naoumoff (geb. 1962, seit 1998 Prof. für Musik an der Indiana School of Music), der bereits als 10-Jähriger sein erstes Klavierkonzert komponiert hat. Beim „Agnus dei“ des ersten Satzes geht es bereits bedrohlich vollgriffig Fortefortissimo die Tiefe des Klavierbasses, sodaß sich ein „dies Irae“ erübrigte. „Libera mea“ aber und vor allem „in Paradisum“ verbreiteten bei gesanglichen Mittelstimmen und leise perlendem Diskant trotzdem Hoffnung auf einen guten Ausgang im Endeffekt und pianistischen Glanz. Die Triosonate d-Moll (W 145) von Carl Philipp Emanuel Bach (1714-1768) für Flöte, Oboe und Cembalo (Dirk Peppel, Manuel Balz, Eri Luchino) überraschte bei elegantem musikalischem Fluß, nicht zu schnellem 3. Satz mit reicher Empfindung und höchster kammermusikalischer Kultur trotz des fehlenden, eigentlich notierten Basso continuo. Nicht einfach für das zarte Cembalo, sich gegenüber den Soloinstrumenten zu behaupten. Das Konzert beschlossen Michael Foule (Violine) und Florence Millet mit der gerade vor rund 100 Jahren entstandenen Violinsonate von Maurice Ravel (1875-1937). Mit souveräner Technik, nicht zu großem, schlankem Violinton erklang dieses letzte kammermusikalische Werk des französischen Komponisten, welches an die Dramatik und Emotion seiner früheren „La Valse“ nicht anknüpft. Der neobarock-kühle 1. Satz, der Blues des 2. Satzes und das schnelle perpetuum mobile des letzten Satzes lassen nicht die musikalischen Entwicklungen ihrer Entstehungszeit (Zwölftonmusik, Atonalität) ahnen. Aber diese leichte Musik mit kurzen Glissandi und breitem Vibrato der Violine im französischen Blues des Mittelsatzes und dem affenartig rasendem Schlußsatz – jetzt Glissandi des Klaviers über die ganze Tastatur- bildete einen eindrucksvollen Schluß. Viel Applaus des zahlreich erschienenen Publikums gab es und Blumen für die Ausführenden von Lutz Werner Hesse.
Die Nachwuchsmusiker können sich nach dieser Vorstellung auf eine interessante und ergiebige Woche freuen und werden am kommenden Sonntag, den 25.08.2024, um 11:00 Uhr an gleichem Ort mit dem Abschlußkonzert des Wuppertaler Musiksommers zeigen, was in der Woche hier musikalisch passiert ist.
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