Karl May läßt grüßen
Zu leicht für ein schweres Thema
(mene tekel u-parsin)
„1915, der Erste Weltkrieg hat begonnen, und die Briten wurden soeben von den Türken bei den Dardanellen besiegt. Im Osmanischen Reich will die Regierung mit allen Mitteln die christlichen Armenier ausrotten, der erste Völkermord des 20. Jahrhunderts bahnt sich an. An Bord eines Frachtschiffs reist der texanische FBI-Agent John Lourdes nach Konstantinopel. Er soll dort heimlich Informationen über das Schicksal der Armenier im Osmanischen Reich sammeln - und er soll einem inhaftierten und gefolterten Priester namens Malek zur Seite stehen, der als Volksheld gilt und von der Regierung und ihren deutschen Verbündeten gejagt wird. Es beginnt eine abenteuerliche Reise - hart, aufreibend, spannend, mitunter grausam.
Lourdes’ deutscher Gegenspieler Rittmeister Franke führt eine Truppe brutaler Mörder an, die von den Jungtürken aus den Gefängnissen geholt wurden. Mit dieser Soldateska erschafft Franke eine Landschaft voller Angst und Terror. Natürlich geht es auch um Öl. Hier um die Ölfelder von Baku und Basra, die für die kriegführenden Mächte schon im Ersten Weltkrieg Bedeutung hatten. Denn mit der maschinellen Kriegsführung begann auch die Bedeutung der fossilen Brennstoffe, Öl, das heilige Wasser des Kommenden! zählt.“ Wer sich hinter dem Pseudonym Boston Teran verbirgt, ist nach wie vor ein Rätsel. In seinen gelegentlichen Interviews hat Boston Teran die Verwendung eines Pseudonyms mit dem Schutz des kreativen Prozesses begründet – und mit dem Schutz der Privatsphäre: Die Person des Autors sei für das Werk vollkommen irrelevant und lenke nur unnötig ab; das wolle er vermeiden.
(Verlagstext, bearbeitet)
Der Genozid der Türken an den Armeniern zu Beginn des 20. Jahrhunderts gehört zu den grausamsten Verbrechen der Geschichte. Daß die türkische Regierung ihn bis heute negiert ist ein deutliches Zeichen für die humanitäre Einstellung dieses konservativ islamischen autokratisch regierten Staates und seine historische (Selbst-)Wahrnehmung.
Die furchtbaren Vorgänge dieses staatlich organisierten Massenmordes mit unvorstellbar grausamem Vorgehen in einem seriösen Roman aufzuarbeiten ist ein im Grunde ehrenhaftes Unterfangen. Armin T. Wegner hat das in seinem 1930 erschienenen Buch „Am Kreuzweg der Welten“ beachtenswert getan. Bei der Lektüre von Boston Terans „Gärten der Trauer“ sind mir jedoch stets der Name Karl May und „Durchs wilde Kurdistan“ vor Augen getreten. Mit dem mystisch besetzten Namen John Lourdes (!) hat Teran sich einen amerikanischen Efendi Kara Ben Nemsi und mit dem listigen Kundschafter Hain einen Hadschi Halef Omar nach dem Muster des deutschen Abenteuerschriftstellers geschaffen, edle Männer mit opferbereiten anderen im Kampf gegen das Unrecht. Mit dem Unterschied, daß Kara Ben Nemsi nicht getötet, sondern nur besiegt hat. Wir wissen nicht, ob Teran je Karl May gelesen hat, wohl eher nicht, aber der Vergleich drängt sich dennoch auf. Dieser Lourdes aber tötet ohne Rücksicht auf Verluste und nimmt unschuldige Opfer in Kauf. Kollateralschäden, sagt man heute zynisch. Das gesamte Geschehen ist in Terans Buch, das mit Floskeln, Bibelzitaten und Bauernweisheiten gespickt ist, leider zu reißerisch und oberflächlich geschildert um dem sensiblen Thema gerecht zu werden. Es ist einfach zu leicht für das schwere Thema konzipiert und auf eher schlichtem Niveau geschrieben. Ein mäßiger Action-Roman auf dem falschen Terrain. Mehr nicht.
Boston Teran – „Gärten der Trauer“
Roman Deutsche Erstübersetzung von Jakob Vandenberg, mit einem Nachwort von Martin Compart 2024 Elsinor Verlag, Klappenbroschur, 243 Seiten - ISBN 978-3-942788-78-6 24,- €
Weitere Informationen: www.elsinor.de
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