"Fettes Schwein"

Im Neusser Landestheater überzeugt die Inszenierung des LaBute-Stücks

von Andreas Rehnolt


"Fettes Schwein"
begeistert in Neuss
 
Vor allem die schwergewichtige Katja Thiele als Helen hat in der Inszenierung des LaBute-Stücks die Sympathie des Publikums
 

In Zeiten ständig zunehmender Gewichtsprobleme und guter Vorsätze zum Jahresauftakt sein Gewicht auf die eine oder andere Art zu reduzieren, kam die Inszenierung von Neil LaButes Tragikomödie "Fettes Schwein" am 9. Januar im Rheinischen Landestheater genau zum richtigen Moment auf die Bühne. Das Stück um die schwerstgewichtige Helen, ihren schmächtigen Yuppie-Freund Tom und die entsetzt auf diese Beziehung reagierende Gesellschaft drumherum begeisterte das Premierenpublikum von der ersten bis zur letzten der insgesamt 100minütigen Aufführung. Das liegt vor allem an Katja Thiele als echter und nicht mit falschen Polstern rundgemachter Helen, die sich selbstbewußt und Toms Ehrlichkeit einfordernd präsentiert.
Helen ist eigentlich Toms Traumfrau. Der kleine und schmale Kaspar Küppers als Tom mag so vieles an ihr. Hellen ist nett, charmant und witzig. Schon bei der ersten Begegnung - in einem Stehimbiß bei Helens Lieblingstätigkeit "Essen" wickelt sie ihn mit ihrer Ausstrahlung und Direktheit um die wurstigen Finger und läßt ihre enorme Korpulenz für den Karriere-Mann erstmal in den Hintergrund rücken. Das körperlich so ungleiche Paar nähert sich im Verlaufe des Theaterabends immer mehr einander an. Zauberhaft die Bett-Szene, in der Tom die Vorzüge Helens aufzählt und sich in ihrer Üppigkeit quasi verliert. Wenn da nur nicht die Kollegen in Toms Büro wären.
 
Die machen sich in der von Dietmar Teßmann äußerst spärlich mit Requisiten bestückten Bühne über

Plakat Rheinisches Landestheater
Helen lustig. Fotos kursieren, Schmäh-Mails laufen auf Toms PC und Handy auf und sein Kollegen-Freund Carter gibt sich angewidert, sagt über Helens Körperfülle: "Hoffentlich sind es Zwillinge." Auch Toms Kollegin und frühere Freundin Jeannie ist entsetzt. Sie spricht die Worte aus, die dem Stück seinen Titel geben: "Fettes Schwein". In ihren Augen ist Tom pervers, krank und gestört, wenn er sich weiter mit Helen einläßt. Und all die Nadelstiche, Häme und Überheblichkeit sorgen bei Tom dafür, daß er zwar auf der einen Seite das Zusammensein mit Helen genießt und sie seiner Liebe versichert, sich gleichzeitig aber dafür schämt, eine so unübersehbare, wenig präsentable Geliebte zu haben.
 
Als Konsequenz versucht er, Helen vor seinen Freunden zu verstecken. Der rundlichen Hellen fällt das durchaus auf und sie beschwert sich darüber, mit Tom "immer nur im hintersten Winkel des Restaurants" zu sitzen oder in einen Film erst dann hineinzugehen, wenn alle anderen schon sitzen und das Kinolicht gelöscht ist. Seinen Kollegen stellt er aus Angst über ihre Reaktionen die XXXL-Freundin dann auch gar nicht erst vor. Die Prüfung, ob die Beziehung tatsächlich vor anderen Bestand hat, zögert Tom immer weiter hinaus. Helen selbst ist darüber enttäuscht. Sie ist mit ihren überflüssigen X-Pfunden im Reinen und betont: "Ich bin jetzt überwiegend mit mir zufrieden. Ich muß nur noch die anderen überzeugen." Einfach wunderbar auch ihr Eingeständnis: "Ich esse nicht immer. Man kann mich durchaus auch zu anderen Dingen überreden."
 
Tom dagegen läßt sich vom grausamen Gespött seiner Kollegen und dem Druck von außen immer mehr verunsichern. Im Zeitalter des fast hysterischen Diätwahns und des Waschbrettsbauchs wird Tom mit der schwierigsten Entscheidung seines Lebens konfrontiert. Wird er oder soll er bei der "Richtigen" bleiben, oder aus Rücksicht auf den eigenen Marktwert dem Konformitätszwang nachgeben? Beim Belegschafts-Picknick am Strand fällt schließlich die Entscheidung. Während Helen auf der Luftmatratze ein Plädoyer für ihre Liebe zu Tom hält, sieht er eine Chance nur "in einer anderen Zeit oder an einem anderen Ort." Die Liebe, die er für Helen empfinde, reiche nicht aus, "um all der Scheiße auszuweichen, mit der die Leute einen bewerfen."
 
Langer, verdienter Applaus für die beiden Hauptdarsteller. Regisseurin Sylvia Richter hätte die beiden Nebenfiguren allerdings etwas weniger naturalistisch und pathetisch anlegen können, dann wäre es eine wirklich runde Inszenierung gewesen.
 
Nächste Termine in Neuss: 15.Januar, 1, 6., 17., 20. Februar, 24. und 30. März
Weitere Informationen unter: www.rlt-neuss.de