Chrom gewordene Träume

American Dream Cars

von Frank Becker

 © Tacker Film
Chrom gewordene Träume

Wolfgang Dresler nimmt mit -
zurück in die amerikanischen 50er Auto-Jahre


Ein tiefer Seufzer entringt sich schon bei den ersten Bildern des Films der wehmütigen Seele des Betrachters - die aufgehende Blende rückt vor einem klangvollen Streicherteppich für Sekunden eine Ikone in den Fokus: die Bugfigur eines Buick Roadmaster der frühen 50er Jahre. Berührend stille Impressionen eines Autofriedhofs vor der Kulisse der Rocky Mountains irgendwo in den USA mit den Überbleibseln "der Zeit, eines anderen, mobilen Amerika, das sich einmal sicher sein konnte, `leading nation of the world´ zu sein"

Folgen wir mit Wolfgang Dreslers Film den Spuren
der Dinosaurier der Fifties, zurück in ein Jahrzehnt des Chroms, der abenteuerlichsten Heckflossen und Kühlergrills, als Familienkutschen die Ausmaße von Schlachtschiffen und Sportwagen den Charakter von Raubtieren bekamen. Allein bei der

Chrysler New Yorker 1953
Foto © Frank Becker
Auflistung einiger der legendären  Markennamen kommt der Nostalgiker ins Träumen und Schwärmen: Oldsmobile 98 Rocket Engine (das kühn mit der Mona Lisa verglichen wird und für das ein veritables Barbershop Ensemble singt), Dodge Diplomat 51, Kaiser Manhattan `52 (Kaiser gab´s nur bis 1955), Pontiac Chieftain/Starchief/Indian, Buick Skylark 1953 (unglaublich schick), Chevrolet Nomad Station Wagon. "The Dollar Grin" fletschte von Buicks Kühlergrill dem US-Fernsehzuschauer die Chrom-Zähne entgegen und kaum weniger tat es der Komiker Milton Berle, und auch Peter Lawford (The Rat Pack), Maria Riva und Carol Channing taten es ihm singend (sicher für hohe Gagen) nach. Bob Lamond warb für Oldsmobile und Diana Shaw für Chevrolet.Fast schon künstlerisch wertvoll war der Umgang mit phantasievollen Schriftzügen, optisch reizvollen Zierleisten, abenteuerlichen Kühlerfiguren und schicker Zweifarbigkeit. Es gab Modelle in blau/weiß, gelb/schwarz, pink/weiß, rot/schwarzcreme/btaun, gelb/weiß und vielen anderen Kombinationen. Wenn man sich die Seitenlinie des zweifarbigen Mercury Montclair 1956 anschaut, weiß man, woher die Designer des deutschen Ford 17 M de Luxe 1957 ihre Inspiration hatten. Auf dem Cover von "Chromveteranen", ebenfalls von Tacker Film, sehen sie den "Barock-Engel".

Aber es gab ja wirklich Traumwagen damals: denken wir nur an die Corvette 6/1953 von Chevrolet, die aber erst ein wenig später zur Perfektion reifte (vorher fackelten die Kunststoff-Karossen bei
 
Chevrolet Bel Air 1958 - Foto © Frank Becker
Unfällen gerne mal komplett ab) oder an den 1954er Ford Thunderbird, den berühmten T-Bird. Erst 1956 traute sich Western-Star Randolph Scott, sein Pferd gegen einen T-Bird zu tauschen. Ein kurioses, brillant gemachtes Streiflicht ist die Zeichentrick-Werbung für Bardahl, einen Zusatz für Treibstoff und Schmiermittel. 1955 gelingt dem Chevrolet Bel Air der Durchbruch an die Spitze, und in der Oberklasse punktet der Cadillac V. Goldene Zeiten! Marilyn Monroe fährt 1956 den T-Bird in pink
und Rambler, AMC/Nash/Hudson sind noch gute Namen, die heute niemand mehr kennt. Apropos Monroe: es war damals auch die Epoche der erotischsten Formen, z.B. der Kühlerverzierungen von Packard 1954-1958, Ford Fairlane, Mercury Monterey, Lincoln Continental und besonders der Modelle Fleetwood und Eldorado von Cadillac, die nicht von ungefähr an die Pufferzonen von Monroe, Mansfield & Co. erinnerten. Das ganz große Jahr der amerikanische Automobil-Designer war aber wohl 1957- alles wurde neu entworfen und gebaut. Der Chevrolet Bel Air 57, als Limousine und als Convertible, ist vielleicht das schönste Auto, das je gebaut wurde, und wieder in der Oberklasse macht der Cadillac Eldorado Furore. Ford gewinnt den Serienstar Lucile Ball ("Alle lieben Lucy") für sein revolutionäres Falt-Hardtop als Werbe-Ikone.

Wolfgang Dresler hat für seinen Film eine unglaubliche Vielzahl von Original-US-Werbespots
 
Desoto 1957 - Foto  Frank Becker
zusammengetragen. Die Streifen zeichnen das packende Bild einer automobilen Gesellschaft, die in dem Glauben lebte, es würde immer so bleiben. Daß Konzerne wie der einst allmächtige General Motors "dank" ihrer Managements
eines Tages abgewirtschaftet haben würden ist nicht abzusehen, ja nicht einmal zu ahnen. 1958 ist der Anfang vom Ende. Mit den Doppelscheinwerfern und den spitzesten Heckflossen jemals wird der Abschied vom US-Barock eingeläutet. Der Dodge Kingsway, der Oldsmobile Starfire, der Ford Thunderbird, der 1960er Desoto und - Krone der Tailfin-Schöpfung! - der Chevrolet Bel Air 1958-59 und der 57er Cadillac Eldorado "bestachen" mit ihren üppig ausufernden Blech- und Chromformen. Die prachtvollen Fords, Edsels, Oldsmobiles, Desotos, Chevrolets etc. waren die letzten Dinosaurier. Die Wende kam 1959/60 - und nichts würde mehr sein, was und wie es war. Der 1960er T-Bird war eine einzige Schande, der Chevrolet Impala aus dem selben Jahr rettete ein letztes Mal den Blech-Barock. Um die Pracht und Lebensfreude der chromglänzenden Straßenkreuzer der unvergessenen 50er Jahre noch einmal für 106 Minuten zu erleben, ist diese DVD der beste Einstieg - und eine Empfehlung der Musenblätter!

American Dream Cars
Ein Film von Wolfgang Dresler
Kommentar: Christian Steiger - Sprecher: Heidi Treutler, Volker Andreas Thieme - Regie: Wolfgang Dresler - Gesamtzeit:  1:46:13




 
Chevrolet Impala 1960 - Foto © Frank Becker

Weitere Informationen unter: www.tackerfilm.de