Düstere Liebestragödie

"Liebe und Geld" an den Kammerspielen Bochum

von Andreas Rehnolt
Wenn ein Selbstmord
Schulden tilgt
 


An den Kammerspielen Bochum hatte die düstere Liebestragödie
"Liebe und Geld" zu laut und mit viel zu viel Video-Einsprengseln Premiere
 
Blutig

Eiskaltes Neonlicht, zuckende Videoprojektionen von Sternenstaub, Gottheiten, Konsumartikeln und dröhnende Beats. Dazu zwei massive Preßspanplatten, zwischen denen sich die Handlung von "Liebe und Geld" abspielt. Die düstere Liebestragödie des englischen Autors Dennis Kelly wabert schwer über die Bühne der Bochumer Kammerspiele, wo sie am 16. Januar Premiere hatte. Ein Stück, das sicherlich hervorragend zum Hörspiel taugt, als Inszenierung eher schwer verdaulich in ihrer kalten Hoffnungslosigkeit. Gleich zu Anfang geschieht ein Mord und das Opfer torkelt blutverschmiert in den Schoß einer jungen Frau. Ganz am Ende der gut zweistündigen Inszenierung von Sebastian Hirn wird die Tat aufgeklärt.
 
Dröhnend

Dröhnende, schmerzhaft-laute Musik schneidet diese erste Szene ab. An zwei Mikrofonen links und rechts der Bühne stehen David und Sandrine. Sie tauschen nach einer irgendwann einmal gemeinsam verbrachten Nacht E-Mails aus. Während Sandrine echte Gefühle hören möchte, redet David, ursprünglich Lehrer, dann als Top-Verkäufer tätig, nur vom Job, vom Geld, von einem Riesenberg an Schulden und davon, daß er seiner Frau Jess nach ihrem Selbstmordversuch nicht hilft, sondern die Bewußtlose mit Schnaps und Tabletten ins Jenseits befördert. Denn wenn sie tot ist, sind damit auch die durch ihre Kaufsucht aufgelaufenen Riesenschulden gestorben.
 
Zerstörerisch

In der zweiten Szene sieht man die Eltern von Jess, wie sie vermeintlich am Grab ihrer Tochter stehen. Dabei regen sie sich darüber auf, daß der klitzekleine Grabstein von Jess nun überschattet wird von einem Grab-Monument eines reichen, alten Griechen mit Marien-Statue und hohen Säulen. Das finanziell recht angeschlagene ältere Paar verliert angesichts des Riesen-Grabmals nebenan nicht nur sein Selbstwertgefühl, sondern auch jegliche Hemmung. Das Grab wird plattgemacht. "Ich hob den Vorschlaghammer und schlug ihn auf den Schädel der Jungfrau Maria. Und ich fühlte mich großartig", bekennt der Vater. Und wieder setzt ein ohrenbetäubender Krach ein, um die nächste Szene der Hoffnungslosigkeit einzuläuten.
 
Hoffnungslos

Inzwischen ist David seinen Job als Top-Verkäufer los und giert nach einem neuen. Von einer früheren Geliebten, die eine Firma hat, erhofft er Hilfe. Doch die läßt ihn auflaufen. Nicht den erhofften Job im Management ihrer Firma, höchstens einen als Lagerarbeiter bietet sie ihm an und kommt sich dabei noch echt edel vor. Brüllend rennt David davon. Unterdessen versucht auch ein junges Mädchen, einen Job zu kriegen. Ein schmieriger Pornofilmer versucht ihr klarzumachen, was da auf sie zukommt und der Zuschauer erfährt, daß auch David schon da war, um sich als Stricher ein paar schnelle Dollars zu verdienen.
Am Ende dieser von Gier nach Geld und gleichzeitigem finanziellen Desaster geprägten Szenerie sind David und Jess im Krankenhaus, wo man dem zusammengestochenen Opfer aus der ersten Szene das Leben nicht mehr retten kann. Er starb, weil er unabsichtlich auf der Straße mit einem Mann zusammenprallte, der dabei sein Handy verlor und darüber so in Wut geriet, daß er den anderen brutal erstach. Daran, daß ein Leben wegen einer solchen Nichtigkeit ausgelöscht wird, scheint Jess zerbrochen zu sein und sicherlich auch daran, daß ihr David pausenlos ihre Kaufsucht vorhält.
 
Tragisch

So weit, so tragisch. Doch warum müssen uns die Protagonisten auf der Bühne etwa zur Halbzeit des pausen-losen Stücks minutenlang ins Gewissen reden? "Und vielleicht merkst du, daß sich jetzt ein kalter Ölteppich um dein Herz gelegt hat", heißt es da kapitalismuskritisch und ganz doll an den alten Berthold Brecht erinnernd. Kurz darauf schlagen sich noch zwei Boxer bis zur Erschöpfung k.o., um zu zeigen, daß man nur mit ganzem Einsatz sein Geld verdienen kann. Das Ende besteht aus einem fast 15-minütigen Monolog von Jess, in dem sie sich über Gott und die Welt, das Universum, den Urknall und das Menschsein an sich und überhaupt ausläßt. Das sind dann auch die anstrengendsten Minuten des Stücks, das den Zuschauer trotz aller gezeigter Brutalität seltsam unbetroffen in den Abend entläßt.

Weitere Informationen unter:
www.schauspielhausbochum.de