Das unwiderstehliche Affengesicht

„Better Man“ von Michael Gracey

von Renate Wagner

Better Man – Die Robbie Williams Story
(Better Man) Großbritannien 2024

Drehbuch und Regie: Michael Gracey
Mit: Robbie Williams (Stimme), Jonno Davies, Steve Pemberton u.a.

Auch wenn man darüber schon gelesen hat, der erste Schock greift – auf der Leinwand ist ein junger Affe unter Menschen zu sehen. Beziehungsweise, wie sich schnell herausstellt, ein Mensch mit Affengesicht. Und erzählt wird die Geschichte des britischen Pop-Stars Robbie Williams. Am aller erstaunlichsten: Es funktioniert.
Ein Biopic über einen Star, der in seiner Welt gewaltig leuchtet – Robert Peter Williams, der als „Robbie“ reüssierte, heute gerade erst 50, aber schon mehr als drei Jahrzehnte „im Geschäft“. Geboren in bescheidene Verhältnisse, in einem englischen Provinzstädtchen. Vermittelt von seinem Vater (der sich gern als Laiensänger betätigte), waren Frank Sinatra und Dean Martin die Idole des kleinen Jungen, der in dem Film von Michael Gracey als wendiger Affenjunge vor uns steht, ein rebellischer Außenseiter, der sich von einer feindlichen Umwelt nicht unterkriegen läßt, zum Starruhm entschlossen.
 
Williams selbst hat sich als „performing monkey“ bezeichnet, und es ist absolut erstaunlich, wie schnell und fugenlos diese Art von Geschichte funktioniert, wie sehr man als Kinobesucher das Affengesicht annimmt, ja, geradezu lieb gewinnt. Wobei man anerkennen muß (was ja auch Filme wie der letzte vom Planet der Affen gezeigt haben), wie ausgefeilt die digitalen Techniken heute sind, Künstliches als „echt“ zu verkaufen.
Das Affengesicht macht jedenfalls eines klar: Dieser Junge, dieser Mann ist eine Ausnahmeerscheinung. Anders als die anderen. Seine Karriere ging steil nach oben, von der Boy-Gruppe „Take That“, zu der er als Sechzehnjähriger engagiert wurde, anfangs nur als Tänzer, zum Solo-Ruhm als Sänger und sein eigener Songschreiber..
Doch man weiß, wie solche Geschichten laufen müssen – noch keine Pop-Star-Story ging glatt, problemfrei, ohne große Krisen über die Bühne des Lebens und gar des Films (und seiner Drehbücher). Die Drogen und Alkohol haben in dieser Welt schon manches Talent zerstört, die Exzessivität der von kreischenden Fans umtanzten Pop-Welt und natürlich die Zweifel an sich selbst stehen gewissermaßen klischeehaft, aber keinesfalls fern der Realität auf dem Programm.
 
Wahrscheinlich können nur eingefleischte Robbie Williams-Fans wirklich beurteilen (bzw. würdigen), wie nahe das künstlich nach dem Motion Capture-System generierte Affengesicht, hinter dem auch Jonno Davies steckt (man kennt das Prinzip von der Figur des Gollum aus dem „Herr der Ringe“) Bewegungskanon und Wesen des echten Robbie einfängt, angeblich sehr gut (die Rezensentin bekennt sich in dieser Pop-Welt als „nicht vom Fach“). Die Stimme aus dem Off hat der originale Robbie beigesteuert, was zweifellos als Echtheitselement nicht zu übertreffen ist. Der Mann lebt noch und erzählt seine eigene Geschichte. Und seine Hits erklingen natürlich auch.
Regisseur Michael Gracey, der aus der Welt der Musikvideos kommt und mit „Greatest Showman“ (mit Hugh Jackman) die wilde Geschichte des Show-Erfinders Barnum erzählt hat, bringt die richtigen Voraussetzungen mit, um hochdramatische private Story und riesige Szenen von Pop-Konzerten zu verschmelzen und Musik, Bewegung, Kamera für den Zuschauer rauschhaft zusammen zu fügen.
Natürlich darf auch die Sentimentalität nicht fehlen – beim Schlußkonzert, mit der Huldigung an Mama, dann doch noch an Papa, der so darauf wartet und mitsingen darf, mit Sinatras immer unwiderstehlichem „My Way“, wird dies zur Apotheose der Versöhnlichkeit und Menschenliebe, auch der Rettung, die sich Williams selbst aus dem Drogensumpf gab. Und welch eine Idee, daß man, als die Kamera ins Publikum schwenkt, immer mehr Affengesichter sieht… Wohl kaum künftige Stars, aber vielleicht unglückliche Außenseiter, die hier getröstet werden sollen.
 
Mittlerweile ist Robbie Williams privat „brav“ geworden, was seinem Ruhm keinen Abbruch getan hat (das Ernst Happel Stadion ist vermutlich ausverkauft, wenn er am 12. Juli 2025 dort auftreten wird). Für den Film jedenfalls haben sich seine „wilden Jahre“ am besten geeignet. Und eines hat „Better Man“ jedenfalls geschafft: Man hat viele Star-Biopics gesehen, die irgendwie in Hinterzimmer des Gedächtnisses verbannt wurden. Die Affen-Version des Robbie Williams wird man sich merken. Es geht auch bei Filmen nichts über Alleinstellungsmerkmale.