Liedertal tierisch und
...hinter eines Baumes Rinde
Heinz Ehrhardt und seine tierischen Lieder
Von Johannes Vesper
Früher war alles besser, sagt man gemeinhin. Also nach diesem Abend mit Liedern auf Gedichte von Heinz Erhardt, stimmt das so nicht. Früher war alles viel witziger, allein dadurch aber vielleicht auch besser. Sein Witz, seine Blödeleien, seine urkomischen Reime und Gedichte verfehlen ihre Wirkung nie, sind dabei nicht, boshaft oder gar politisch. Sie betreffen uns Menschen und unsere kleinen menschlichen Episoden an sich. Er nimmt außerdem die Not der Made hinter der Rinde, den Tod des Fischchens auf dem Sandstrand, die polyglotte Katze ins Visier und schreckt dabei vor keiner Plattheit zurück. Heinz Erhardt verfügte souverän über Versfuss und Schüttelreim. Seine Reime sind so einleuchtend und vorhersehbar, daß das Publikum schon im Voraus loslacht. Sein Witz lebt u.a. vom Kontrast zur klassischen deutschen Dichtung von Lessing, Schiller und Goethe, die selbst komische Gedichte verfasst haben, die Begabung von Heinz dabei jedoch vermissen ließen
Die Faszination des Dichters spürte nicht nur das immer wieder begeisterte Publikum damals. Selbst hatte er schon Pianist werden wollen, aus ihm wurde aber keiner, aber immerhin ein Klavierhumorist, der eigene Lieder vortrug und sich selbst begleitet hat bei unzähligen Auftritten über die Jahre. Seine Ausstrahlung wirkte und so faszinierte er auch u.a. den Komponisten Tadeusz Klaus (*1960), der ihn live als kleines Kind nicht erlebt haben wird. Klaus, ein musikalischer Tausendsassa, von Hause aus Klavierspieler, hat lange als Toningenieur und Tonmeister gearbeitet, bevor er Kirchenmusik studierte. Er komponiert seit seinem 19. Lebensjahr Lieder, Kammermusik, Oratorien und träumt von der Fertigstellung seiner Oper. Er betreibt eine Restaurierungswerkstatt für Harmoniums und veranstaltet alle zwei Jahre das Europäische Harmoniumfestival. Bei großem Interesse an musikalischer Darstellung von Dramatik hat er auch vier Liedzyklen auf Gedichte von Heinz Erhardt geschrieben (op. 7 tierisch-satirisch, op 8 tierisch-tragisch, op. 9 tierisch- dramatisch, p. 10 tierisch -lyrisch) und sie mit musikalischem Humor kongenial kommentiert Wie geht Humor musikalisch? Also z.B ist das Zitat aus anderem Zusammenhang, z.B. aus klassisch romantischen Kunstliedern sehr komisch, die Forelle beim « Fischchen » im Sande; oder « Morgen kommt der Weihnachtsmann » bei der « Weihnachtsgans ». Musikalisches Pathos für Banalitäten (Forte, ritardando, bedeutende Generalpause) wirkt per se komisch ebenso wie die bedeutungsschwangere Kirchturmuhr beim toten Hund. Der Komponist verfügt über galoppierenden Humor bei großer Kenntnis des zur Verfügung stehenden musikalischen Materials für seine glänzenden Eskapaden auf den Tasten.
Thomas Laske (Bariton) und Verena Louis (Klavier) haben sich in dieser Kombination mit dem Kunstlied und seiner Darbietung einen Namen gemacht. Mit großer, elastischer ausdrucksstärker Stimme und Mimik präsentierte Thomas Laske diese Erhardt-Lieder, beeindruckte und unterhielt damit das Publikum im ausverkauften Maler-Saal der Stadthalle, welches immer wieder schmunzelte und gelegentlich auch Lachen nicht unterdrücken konnte. Die souveräne Pianistin trug das Ihre bei.
Es wohnt ein Wind in Leningrad, / der pustet kalt, / wer da nicht einen Mantel hat, / der hustet bald."
Heinz Erhardt (1909-1979) stammt aus Riga, wo seine Großeltern einen Musikalienhandel betrieben. Die Eltern hatten sich getrennt, so blieb der kleine Heinz bei den Großeltern und dichtete, trug als Kind bereits seine Reime und Gedichte der Familie vor. Das alles und mehr erzählte er selbst bzw. sein alter Ego Stefan Keim, der so in die Figur, in die Sprache und in den Ausdruck dieses Nachkriegsbarden geschlüpft ist, daß man glaubt, die Zeit wiederhole sich und der Heinz sei wieder auferstanden. Er bezieht das silberlockige oder gar haarlose, also durchweg ältere Publikum witzig mit ein und dichtet zuletzt sozusagen als Improvisationssdichter aus dem Stegreif ein Liebesgedicht auf die Hedwig in der 2. Reihe links. Dazu bittet er um Reimwörter aus dem Saal: Kettensäge, Anzug, Schwebebahn und Fahrradschlauch werden ihm zu geworfen. Daraus entstand:
O Hedwig, wenn ich mich zu dir bewege,
Fürcht ich deine Kettensäge.
Auch wenn Schönres mancher Mann trug,
stehe ich vor dir im Anzug.
Ach, Hedwig stört dich manches auch,
mich stört das Loch im Fahradschlauch.
Und fang mit mir ein Leben an.
Komm, fahr mit mir Schwebebahn. (Stefan Keim)
Da war nicht nur Hedwig, nein der ganze Saal hingerissen. Und nach dem furchtbaren Schicksal der letzten der „Drei Raupen“ - die letzte Raupe starb ja an der Staupe - gab es Riesenapplaus für alle, auch den Komponisten, der sich im Publikum nicht zeigte. Dieser 2. Liederabend bei Liedertal (zu Karneval?) hat nicht nur dem Publikum sehr gut, er hätte natürlich auch Heinz Erhardt gefallen.
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