Uncle Sam ist verreist

Trumps erstes Opfer heißt Selenskyj

von Lothar Leuschen​

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Uncle Sam ist verreist
 
Trumps erstes Opfer heißt Selenskyj
 
Von Lothar Leuschen
 
Die Würfel sind gefallen. Wolodymyr Selenskyj weiß das, aber der Präsident der Ukraine kann, will und darf nicht aufhören zu kämpfen. Er kämpfte, als er jetzt die Türkei um diplomatische Unterstützung bat, er kämpfte gerade im TV-Interview im deutschen Fernsehen. Doch der Präsident und seine Ukraine stehen auf verlorenem Posten. Spätestens seit die USA und Russland in Riad Friedensgespräche vorbereitet haben, ist gewiß, daß die Ukraine ihren Verteidigungskrieg gegen Russland verloren hat. Die besetzten Gebiete sind weg, und geht es nach Donald Trump, bezahlt die Ukraine die letztlich erfolglose Unterstützung der USA im Krieg mit Bodenschätzen. So perfide ist das Denken der neuen Administration in Washington. Das sind die sogenannten Deals, in denen der Immobilienmogul Trump denkt. Fairness, Moral und alte Freundschaftsbande zählen nicht. Wichtig ist, daß die Zahl unter dem Strich schwarz und möglichst hoch ist. Dabei ist es dem US-Präsidenten offensichtlich auch gleichgültig, daß er sich zum Handlanger Rußlands macht. Geschäft ist Geschäft, und es ist auf jeden Fall gut, wenn es Gewinn abwirft, koste es, was es wolle. So ticken die neuen Vereinigten Staaten von Amerika. Europa, die Europäische Union und der Rest der Welt sollten gewarnt sein.
 
Auf dem alten Kontinent werden die Alarmglocken anscheinend langsam gehört. Zusätzliche Sanktionen gegen Rußland erwecken den Eindruck, daß die EU Trump das Signal geben will, den Weg der neuen USA nicht mitgehen zu wollen. Gleichzeitig erhöhen Dänemark und Lettland ihre Verteidigungsausgaben drastisch. Sie ahnen, was vielen anderen in Europa langsam dämmern müßte: Gewinnt Putin diesen Krieg so schnell wie Trump es wohl gern hätte, dann ist der nächste Krieg in Europa nicht weit. Dann müssen sich mindestens die baltischen Staaten große Sorgen machen, auch angesichts einer Nato, in der nicht mehr sicher ist, daß die USA jeden Bündnisfall nach Paragraph 5 mitgehen. Und ohne die Vereinigten Staaten ist die Nato sehr verletzlich. Jetzt drängt die Zeit. Die Europäische Union muß zur Kenntnis nehmen, daß Uncle Sam für mindestens vier Jahre unerreichbar verreist ist.
 
 
Der Kommentar erschien am 20. Februar in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.