Historisches Museum Bielefeld erinnert an Opfer deutscher Kriegsgerichte

Köln startet gleichzeitig Denkmal-Wettbewerb für Opfer der NS-Militärjustiz

von Andreas Rehnolt
Historisches Museum Bielefeld erinnert an Opfer deutscher Kriegsgerichte
 
Ab April ist die Ausstellung dann auch im Dortmunder Museum für Kunst und Kultur zu sehen
 
Bielefeld - Unter dem Titel "Was damals Recht war - Soldaten und Zivilisten vor Gerichten der Wehrmacht" erinnert das Historische Museum in Bielefeld ab dem 15. Februar an die Opfer deutscher Kriegsgerichte. Erst im Mai 2002 hob der Deutsche Bundestag die meisten Urteile der Wehrmachtjustiz des Zweiten Weltkrieges auf. Sechseinhalb Jahre nach dieser Entscheidung erinnert die Ausstellung nun bis zum 28. März an das Schicksal der Verurteilten. Nach 1945 sei die Mehrzahl der Deutschen den Opfern der Wehrmachtsjustiz noch mit Ablehnung und Feindschaft begegnet.
 
Vielen gelten die Verurteilten bis heute als Verräter oder Feiglinge, hieß es im Vorfeld der Präsentation. Die Schau beginnt mit der Geschichte der Militärjustiz in der Zeit von 1871 bis 1939. Hier wird die Entwicklung von dem durch die preußische Armee geprägten Kaiserreich bis zum NS-Militärstrafrecht als wichtige Waffe im "totalen Krieg" deutlich. Die vom Beirat der "Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas" als Wanderausstellung konzipierte Ausstellung ist für die Präsentation in Bielefeld noch um die Forschungsprojekte über Opfer aus Westfalen und Lippe ergänzt worden. Dazu wurden Biografien von 20 Verurteilten aufgearbeitet. 

Zentrale des Gefangenenlagers Oberems, Q. Stadtarchiv
 
Zehntausende - deutsche Soldaten und Zivilisten aus nahezu ganz Europa - verloren ihr Leben durch die Entscheidungen der Wehrmachtsgerichte. Die Ausstellung gedenkt der Hingerichteten und erinnert an das Leiden und Sterben Tausender in Strafkompanien, Lagern und Zuchthäusern. Sie informiert zum einen über den Lebenshintergrund der Opfer, aber auch über das System der Militärjustiz und seine Richter. Die Ausstellung zeigt auch deutlich, wie die damalige Kriegsgerichtsbarkeit zum Terrorinstrument der militärischen und politischen Führung wurde. Allein rund 15.000 Deserteure fielen den Todesurteilen zum Opfer. In den besetzen Gebieten der Sowjetunion waren Wehrmachtsjuristen indirekt ebenfalls für den Tod von Millionen Menschen mitverantwortlich.
 
Den zentralen Bereich der Schau bilden exemplarische Fallgeschichten. Die Schicksale von Soldaten und Zivilisten, Männern und Frauen sind auf Stelen dokumentiert, die sich über die gesamte Präsentation verteilen. So konfrontieren sie den Besucher beim Durchlaufen der Ausstellung auf unterschiedlichen Pfaden immer wieder mit den Lebensläufen der Verurteilten. Die Auswahl der Fallgeschichten verschafft Einblick in die Spruchpraxis der NS-Militärjustiz, sie verdeutlicht auch die Verschärfung und die Willkür der Urteilssprechung. Im Anschluß an die Ausstellung in Bielefeld ist die Schau vom 4. April bis zum 24. Mai im Museum für Kunst- und Kulturgeschichte Dortmund zu sehen.
 
 
 
Köln startet Denkmal-Wettbewerb für Opfer der NS-Militärjustiz
 
1. September soll das Denkmal in der Domstadt enthüllt werden
 
Köln - Die Stadt Köln hat jetzt den Wettbewerb für ein Denkmal für die Opfer der NS-Militärjustiz gestartet. Nach Angaben eines Sprechers der Domstadt vom Dienstag nehmen neun bereits etablierte und fünf junge Künstlerinnen und Künstler mit ihren Entwürfen teil. Unter den bekannten Künstlern sind Gregor Schneider aus Mönchengladbach und Rosemarie Trockel aus Köln. Die Einweihung des Denkmals ist für den 1. September geplant, so der Direktor des NS-Dokumentationszentrums in Köln, Werner Jung, der die Auslobung des Wettbewerbs verantwortet. In der Jury sitzen unter anderem Ex-Bundesinnenminister Gerhart Baum und der Vorsitzende der Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz, Ludwig Baumann.

Katalog zur Ausstellung in Bielefeld
 
Vorsitzende der Jury ist die Berliner Wissenschaftlerin Stefanie Endlich, die sich als Expertin für Erinnerungskultur und Denkmale sowie Kunst im öffentlichen Raum einen Namen gemacht hat. Ihr Vertreter ist der an der Kunsthochschule für Medien in Köln lehrende Marcel Odenbach, der selbst bereits mehrfach viel beachtete künstlerische Werke in Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit schuf. Der Auftrag an die Künstler lautet, ein "einprägsames Kunstwerk" als Würdigung für diese spezifische Opfergruppe zu schaffen. Das Denkmal soll dabei "sowohl an die Soldaten erinnern, die sich dem Krieg verweigerten und deshalb zum Tode verurteilt wurden, als auch an die zivilen Kriegsgegnerinnen und -gegner, die Opfer der NS-Sonderjustiz waren", hieß es in dem Beschluß des Kölner Rates.
 
Am 24. April will die Jury über die Entwürfe entscheiden. Für das Denkmal selbst stehen 80.000 Euro zur Verfügung, von denen 10.000 Euro durch Spenden zusammenkommen sollen. Die Stadt Köln ist nach eigenen Angaben die erste Kommune, die einen Künstlerwettbewerb für diese Opfergruppe auslobt. Von den 30.000 Todesurteilen gegen Deserteure, "Wehrkraftzersetzer", "Kriegsverräter" oder Kriegsdienstverweigerer ließen die Wehrmachtgerichte 20.000 vollstrecken. Auch Baumann selbst war 1942 nach seiner Desertion zum Tode verurteilt worden. Er hatte zehn Monate in einer Zelle auf seine Hinrichtung gewartet, bis er von seiner Begnadigung erfuhr und in ein Strafbataillon kam. Seit den 1990er Jahren setzt sich Baumann für die Rehabilitierung der Opfer der NS-Militärjustiz ein, die mit einem Beschluß des Bundestags im Jahr 2002 weitgehend erfolgte, wenn auch nicht für alle Fälle.

Redaktion: Frank Becker