Entgrenzung und Verschmelzung

Hans Sieverding, Hans Schüle und Michael Dillmann in der Wuppertaler Galerie epikur

von Caroline Linssen
Entgrenzung und Verschmelzung
 
„ ...Ein gutes Bild kann nie zu Ende gesehen werden, immer wieder wird man neue Leerstellen, Fragen und Unwägbarkeiten erkennen, es wird immer etwas Geheimnisvolles bleiben, und das macht seinen anregenden Reiz aus...“ (aus einer Rede von Prof. Dr. Andreas Beaugrand)
 
Die künstlerischen Positionen von Hans Sieverding, Hans Schüle und Michael Dillmann haben zunächst keine offensichtlichen Gemeinsamkeiten, und doch stellt sich beim Betrachter das Gefühl ein, daß etwas vorhanden ist, was sie miteinander verbindet. Auf einer ganz trivialen Ebene ist dies ein Aspekt der Kohärenz von Figur und Raum. Das Verhältnis kann in den vorgestellten Positionen mit den Begriffen Entgrenzung und Verschmelzung beschrieben werden. 
 
Sieverding

Die Malerei Sieverdings stellt ein faszinierendes Wechselspiel aus Zeigen und Verbergen dar. Seine

Hans Sieverding, ohneTitel, 2. 5. 06, 2006
 Acryl auf Leinwand, 120 x 100 cm
Arbeiten verbinden häufig zwei Arten der Figur miteinander, die raumerschließende und die flächengebundene Figur. Im Kern scheint die Leinwand in Farbflächen und Linien aufgeteilt zu sein, die sich überlagern. Dabei werden auch die Flächen von zart hervorscheinenden Linien gestützt. Die Entgrenzung und Verschmelzung geschieht also nicht als ein Zer- und Ineinanderfließen der Farben, vielmehr erreicht Sieverding den Eindruck durch die Überlagerungen vielzähliger Bildebenen. Die Kontur wird häufig wie ein andersgestaltiger Umriß der Figur gestaltet, die Durchblicke und Verbindungen sorgen für ein Ineinanderfließen der verschiedenen Ebenen. Die Linienarabeske der überlagernden Kontur erzeugt Dynamik und Raum, der Blick hindurch verleiht ihr eine Aura von Flüchtigkeit.
 
In der ausgewogenen Vielfalt der Gegensätze und Widersprüche verdichten sich in den Übermalungen die polymorphen Deutungsebenen zu einem Sinnzusammenhang, dessen Entschlüsselung in den Händen des Betrachters liegt. Nichts ist eindeutig, alles bleibt mehrdeutig und ambivalent. Vieles ist räumlich durchlässig, transparent. Und vieles ist gleichzeitig davor und dahinter. Die überlagernden Konturlinien geben den Blick frei auf etwas Dahinterliegendes, und im Moment der Betrachtung zieht es sich zu einem Gesamtbild zusammen - eine zwiegespaltene Ganzheit. Es ist, als betrachte man verschiedene Facetten des gleichen Sachverhalts, die einzeln betrachtet zwar Sinn ergeben, aber nur in der Zusammensicht vollendet sind.
 
In der Malerei bezieht sich der Raum immer auf die Fläche der Leinwand, also den Grund der Figur. Die Skulptur bezieht sich dagegen zwangsläufig auf den Betrachterraum.
 
Schüle

Hans Schüles „Hybride“ beziehen sich in vielfältiger Weise auf den Raum. In ihrer sowohl

Hans Schüle, hybride 17, 2003, Stahl, Zink, Acryl, 136 x 93 x 158 cm
raumgreifenden wie raumkonstituierenden Eigenschaft ermöglichen sie gleichzeitig viele Ein- und Durchblicke. Der Blick wird in einen Sog zwischen Innen- und Außenraum gebracht. Es handelt sich nicht um Darstellungen der menschlichen Figur, und doch erinnern sie an organische Formen. Beim Umschreiten geraten die Stahlkörper scheinbar in Bewegung, der kontinuierliche Wechsel zwischen dichteren, dunklen und hellen, freieren Stellen erzeugt eine oszillierende Dynamik. Die Entstehung solcher Hell-Dunkel-Kontraste verdeutlicht die Verschmelzung von Kunst- und Betrachterraum. Darüber hinaus geschieht eine kaum merkliche Verflächigung, die sich im Schatten der Körper manifestiert.
 
Die Bezeichnung „Hybrid“ bezieht sich im allgemeinen Sprachgebrauch auf eine Kombination zweier verschiedenartiger Dinge. Innen- und Außenraum sind als Variablen in dieser Gleichung zwar passend, aber durchaus nicht als singulär zu verstehen. So können die Teile von Rohrleitungen, aus denen die Arbeiten Schüles bestehen, auch als Element der Verbindung angesehen werden. Eine Deutung hinsichtlich einer Verschmelzung von Natur und Technik in klar abstrakter Gestalt via Form und Material drängt sich auf.
 
Dillmann

In Michael Dillmanns Arbeiten treffen wir auf die wohl reinste Form von Entgrenzung und

Michael Dillmann, Automesse Moskau, 2008
Eitempera/Öl auf Holz,, 75 x 95 cm
Verschmelzung. Seine Figuren treten aus der Farbe des Grundes heraus, scheinen aus ihr geschaffen, durch sie bedingt. Sie verschmelzen förmlich mit dem Hintergrund, ohne dabei ihre Körperlichkeit aufzugeben und in die Fläche zu driften. Dillmann trägt viele Schichten Farbe auf den Bildträger auf, aus denen der Grund besteht, und die eine Malerei aus der Farbe heraus wirksam machen, ohne Konturlinie - grenzenlose Farbe.
 
Dillmanns Arbeiten erinnern an die Skizzenhaftigkeit der Gemälde der Impressionisten im 19. Jahrhundert. Die Flüchtigkeit, Dynamik ist mit schnellem Pinselstrich in zeitlose Motive gebannt, wie in Ruderbooten, Aktfiguren im Innenraum und nicht verorteten Straßenszenen. In vertraut erscheinenden Bildern mit neuer Dynamik kondensiert Dillmann eine Impression unserer Gesellschaft, fernab allen Schnickschnacks auf der Leinwand.

Ausstellung
Galerie epikur
HP Nacke
Friedrich-Engels-Allee 165
42285 Wuppertal

Tel.    0202 - 887011
Fax    0202 - 8 31 67
Mobil 0171 3235238

Öffnungszeiten
Di - Fr 14 - 19 Uhr
Sa 13 - 18 Uhr
und nach Vereinbarung
Hans Sieverding
Aller Tage Morgen - Malerei
Hans Schüle
Hybride - Skulptur
Michael Dillmann
Neue Bilder - im Kabinett
 
Eröffnung der Ausstellung am Freitag, dem 30. Januar 2009
in der Zeit von 19.30 bis 21.30 Uhr
Die Künstler sind anwesend
Einführung: Caroline Linssen M.A.
 
Dauer der Ausstellung: 30. Januar bis 13. März 2009

Redaktion: Frank Becker