Die Verwandlung in der Literatur

Monika Schmitz-Emans - "Poetiken der Verwandlung"

von Andreas Rehnolt
Über die Verwandlung in der Literatur
 
Wissenschaftlerin der Ruhruniversität Bochum schreibt über
"Poetiken der Verwandlung"
 
Bochum - Eine der bekanntesten Verwandlungen in der Literatur ist sicherlich Gregor Samsas Erwachen im Körper eines riesigen Käfers in Franz Kafkas "Die Verwandlung". Die Professorin Monika Schmitz-Emans vom Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum hat in ihrem jetzt erschienenen Buch "Poetiken der Verwandlung" eine Reihe literarischer Texte auf die poetologische Relevanz ihrer Verwandlungsmotive hin untersucht.
 
Verwandlungsdarstellungen kennt die europäische Literatur viele - von den "Metamorphosen" des römischen Dichters Ovid bis zu Kafkas Ungeziefer oder Stevensons Monster Mr. Hyde. Auch wenn diese Verwandlungen ganz unterschiedliche Formen annehmen, so bleibt ihnen in der Literatur doch einiges gemein. Eine Verwandlung zu beschreiben bedeutet für den Autor auch immer, etwas Zeitliches darzustellen, einen Verlauf, Zustände, die aufeinander folgen und ineinander übergehen. Doch was sich ständig wandelt und so nie mit sich identisch bleibt, das entzieht sich der Fixierung durch den Leser.
 
Es wird ungreifbar - und somit auch undarstellbar. Die Verwandlungsliteratur macht daher auch auf die Grenzen des Darstellbaren aufmerksam. Die Verwandlung ist zugleich mit der Verfremdung verwandt, einem zentralen ästhetisch-poetologischen Prinzip. Wird Vertrautes verfremdet oder gar verwandelt, so kann das dem Leser helfen, bislang Unentdecktes am Vertrauten zu sehen und so auch die Einstellung des Lesers zur Ausgangsform selbst zu verändern. Schmitz-Emans interpretiert in ihrem Buch "Poetiken der Verwandlung" Texte aus verschiedenen Sprachräumen und Zeiten und gibt eine exemplarische Einordnung der europäischen Verwandlungsliteratur. Sie erörtert den poetologischen Sinn solcher Metamorphosen.
 
Ihre Beispiele zeigen, welche unterschiedlichen Empfindungen die Verwandlungsliteratur im Leser auslösen kann. So mag Kafkas nächtliche Verwandlung von Gregor Samsa in ein nicht näher bestimmtes Käfertier durchaus verstörend wirken, ebenso wie das Monster in Stevensons "Dr. Jekyll und Mr. Hyde". Andere Verwandlungen können im Gegensatz dazu eher lustvolle Gefühle auslösen oder Spaß machen, wie etwa Kurt Schwitters' "Geschichte vom Hasen", in der ein
Hase sich in rasanter Weise in Wesen um Wesen verwandelt, um am Ende doch noch ein Hase zu sein. Schmitz-Emans ist seit 1995 Professorin am Lehrstuhl für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum. Seit 2005 ist die Mitglied der Academia Europaea und seit 2007 auch Präsidentin der Jean-Paul-Gesellschaft.
 
Das Buch „Poetiken der Verwandlung“ ist im Studienverlag Innsbruck, Reihe "Comparanda" erschienen. Es ist 320 Seiten stark, kostet 36,90 Euro und hat die ISBN-Nr: 978-3-7065-4660-7
Weitere Informationen unter: www.studienverlag.at

Redaktion: Frank Becker